Kessi
Ranchbesitzer
Dabei seit: 29.06.2006
Beiträge: 10.893
Herkunft: Sachsen Anhalt
Level: 62 [?]
Erfahrungspunkte: 70.856.574
Nächster Level: 74.818.307
 |
|
@Ang
| Zitat: |
| Kessi, mir kommt da noch eine ganz andere Assoziation, nämlich die, dass Ennis und Jack nie wirklich miteinander reden über ihre Homosexualität allgemein und über ihre Beziehung insbesondere. |
Je nach dem in welcher Gemeinschaft man lebt, prägen einen ja unterschiedliche Werte. Das was in dieser Gemeinschaft als richtig oder falsch definiert wird, reflektiert man auch für sich selber als richtig oder falsch.
Wenn man relativ intelligent ist kann man das natürlich hinterfragen wobei man das Gefühl von Schuld oder Unbehagen wohl auch nicht los werden würde.
Stell dir selber mal vor du wachst eines Morgens auf und registrierst das du die Nacht davor mit deinem Sohn geschlafen hast, oder mit deinem Vater, oder mit deinem 12jährigen Nachbarn.
Wenn du jetzt nur daran denkst überkommt dich doch schon ein Gefühl von Ekel und Abscheu, tiefer Schuld und einer bedrückenden Angst davor, irgendwer könnte so etwas von dir denken . Du weißt ganz genau das niemand in deinem Umfeld dafür Verständnis aufbringen und dich jeder, und auch wirklich jeder dafür verurteilen würde.
Ähnlich wie unsere Gesellschaft heute auf Pädophile reagiert oder auf Eltern die Sex mit ihren Kindern haben (selbst wenn die erwachsen sind) reagierte man damals auf Homosexualität.
Am Anfang beruhigt sich Ennis ja damit das es ja keiner mitbekommt und Jack würde nichts erzählen weil er ja selber mit drin steckt. Ihm ist völlig klar das er damit wieder zurück in der Zivilisation nicht weiter machen kann.
Für Ennis ist das jetzt aber nicht so das er erkennt das die Gesellschaft hier falsch liegt und er sich ihr notgedrungen unterordnen muss, nein Ennis denkt die Gesellschaft ist ok und er ist derjenige der falsch tickt.
So unaufgeklärt wie Ennis war, wird er seine Homosexualität als eine Art Krankheit empfunden haben, die immer mal wieder auftrat wie Malaria oder Quartalssaufen...und dann musste er unbedingt in die Berge fahren und mit Jack schlafen und dann war es auch wieder vorbei und er kam ganz normal klar mit dem Leben, bis es eben wieder über ihn kam.
Genau so wie der Malariapatient und der Quartalssäufer auf ihre Probleme reagieren hat das Ennis mit seinen auch gemacht.Er hatte unglaubliche Angst davor diese Sache nicht in den Griff zu kriegen und so versucht er es teilweise vor sich selber zu verleugnen oder herunterzuspielen..."ich hab ja auch was mit Frauen...und da hab ich ja auch was empfunden, dann kann das ja gar nicht so schlimm bei mir sein."
In diesem Modus von Verleugnung und Verdrängung reden die Männer natürlich auch nicht über ihre Homosexualität und noch weniger über ihre Gefühle füreinander. Dann hätten sie sich ja komplett eingestehen müssen, das sie dem Bild des perversen Untermenschen entsprechen das die Gesellschaft in der sie leben von Menschen wie ihnen gezeichnet hat.
Annie P hat ja immer wieder beton das die Geschichte eine Geschichte über Homophobie im ländlichen Raum der USA war...Ennis und Jack hatten einfach keine Chance weil sie einmal selber durch die Gesellschaft geprägt wurden sind und weil sie zum anderen in ihrem Umfeld keine positive Resonanz gefunden hätten.
| Zitat: |
| wo Ennis Jack fragt, ob er nie das Gefühl hätte, dass man "es" ihm ansieht, als ob die Leute "es" wüssten. Jack geht da gar nicht darauf ein und diagnostiziert bei Ennis eher eine Paranoia, rät ihm zum Umzug. |
Ich denke das Jack sehr wohl drauf eingeht, er verwendet die "Vorlage" von Ennis geschickt, seinen Traum von irgend einer Form von Zusammenleben ein Stück weit verwirklichen zu können, in dem er versucht Ennis zu sich nach Texas zu locken. Leider durchschaut Ennis Jacks kleinen Trick und so holt der sich die zweite Abfuhr ein...was hier bezeichnend ist, ist die Heftigkeit der Reaktionen beider Männer, was wohl zeigen soll, das ihre Situation immer frustrierender wird.
| Zitat: |
| Vielleicht will er auch nur mit Ennis mithalten und auch eine Frauengeschichte erzählen, vielleicht will er aber auch einem tiefer gehenden Gespräch aus dem Weg gehen, was ihn dann zum Schluss selbst frustriert. |
Die Frage ist für mich immer, inwieweit Jack es schafft mit den gesellschaftlichen Normen seiner Zeit und seiner Welt klar zu kommen. Ich denke er empfindet das was er tut und das was er ist als genau so falsch wie Ennis aber ich denke Jack hilft das er weniger scharf darauf ist moralisch richtig zu handeln und mehr daran denkt was für ihn gut ist. (Was die Ehe mit Lureen beweist)
Ich denke Jack weiß das es ihm mit Frauen nicht gefällt und er versucht auch nicht sich was anderes einzureden. Die Geschichte ist in meinen Augen in erster Linie dazu da das Jack sich vor Ennis produziert, was von Ennis Seite aus immer mit einer positiven Reaktion belohnt wird. Je mehr Jack angibt je mehr bewundert ihn Ennis...zusätzlich ist die Geschichte auch noch lustig, Ennis wird also mal wieder bestens unterhalten.
Es ist ja nicht nur der Sex was Ennis an Jack so unwiderstehlich findet...es ist auch Jacks Art die schon auf dem Brokeback dazu geführt hat das sich Ennis bei ihm unglaublich wohl fühlt.
|
|
