0:11:10 Auch die folgenden nächtlichen Einstellungen sind digital bearbeitet.
0:11:25 „Während des Tages schaute Ennis über eine weite Kluft hinweg, und manchmal sah er Jack, einen kleinen Punkt, der sich über die Bergwiese bewegte wie ein Insekt über ein Tischtuch; Jack in seinem dunklen Lager sah Ennis als ein Feuer in der Nacht, einen roten Funken an einem riesigen schwarzen Bergmassiv.“ (Annie Proulx, „Brokeback Mountain“, S. 310)
0:11:29 Ein kleiner (sehnsüchtiger?) Seufzer von Jack, wenn er auf den Feuerpunkt von Ennis' Lager herabblickt.
0:11:43 „Bettermost Beans“: fiktiver Markenname. (Und Namensgeber für das BBM-Forum www.bettermost.net) Wohl ein Wortspiel der Ausstatter mit dem Filmtitel BetterMost ’ Brokeback Mountain.
0:11:45 Jack gibt seiner Unzufriedenheit über die Situation deutlich Ausdruck.
0:11:50 „I'm saving for a place, myself“ sagt Ennis. „In Ennis' Fall bedeutete das zwei Fünfdollarscheine in einer Tabakdose“, verrät uns Annie Proulx. Die - vollkommen illusorische - Sehnsucht des armen Hilfsarbeiters nach einer eigenen kleinen Ranch.
0:11:55 Ennis verkündet die bevorstehende Hochzeit mit Alma, „when I come down from this mountain“ - unten gelten die heteronormen Konventionen der Gesellschaft. Sind sie hier oben auf dem Berg außer Kraft gesetzt?
0:12:05 „Aguirre got no right, makin' us do somethin' against the rules“, sagt Jack. Aber wer kann die „Regeln“ hier oben auf dem Berg schon überprüfen? Sind die gesellschaftlichen Konventionen hier oben auf dem Berg außer Kraft gesetzt? Jacks Bemerkung bringt Ennis jedenfalls sichtlich ins Grübeln. Ist es nur, weil ihm der Gedanke, die Regeln zu brechen, unangenehm ist?
0:12:42 Ennis schnitzt an einem Pferd. Im Folgenden sind Bilder und Statuen von Pferden mit Jack verbunden.
0:13:10 „Während des Tages schaute Ennis über eine weite Kluft hinweg, und manchmal sah er Jack, einen kleinen Punkt, der sich über die Bergwiese bewegte wie ein Insekt über ein Tischtuch; Jack in seinem dunklen Lager sah Ennis als ein Feuer in der Nacht, einen roten Funken an einem riesigen schwarzen Bergmassiv.“ (Annie Proulx, „Brokeback Mountain“, S. 310)
0:13:30 Jack verfehlt den Kojoten – und gibt seiner Unzufriedenheit mit der Situation deutlich Ausdruck.
0:13.32 An die Dreharbeiten der Brücken-Szene erinnert sich Basken-Darsteller David Trimble:
„Bei der Baskenbrücke haben wir etwa anderthalb Stunden auf das richtige Licht gewartet. An einem Punkt zog Heath sein Hemd und seine Jacke aus und hangelte sich Hand über Hand an einem der Drahtseile der Brücke entlang.
Ang schaute immer durch den Sucher und wartete und wartete und wartete, und die anderen machten sich ihren Spaß, und das Tolle war – Ang hat einen großartigen Sinn für Humor – und so haben die anderen ihn verscheißert und er hat die anderen verscheißert. Es waren solch entspannte Dreharbeiten wegen ihm. Weil Ang, an der Spitze des Totempfahls, so ein netter Mann war, hat das jeden beeinflusst. So wie Heath einfach sein Hemd ausziehen und herumalbern konnte, zeigt wie entspannt es tatsächlich war.
Aber dann, sobald das richtige Licht da war, schaute Ang auf und sagte: „Okay, zehn Minuten. Wir haben zehn Minuten. Jeder ist bereit in zehn Minuten.“ Wir hatten vielleicht nur fünf oder zehn Minuten, diese Einstellung zu drehen. Und sofort war jeder bereit. Und wir haben vielleicht vier Takes gedreht. Vier Takes waren es, und dann war das richtige Licht schon wieder weg. Wir haben anderthalb Stunden gewartet für fünf Minuten rasender Aktivität."
0:13:53 „I'm sick of beans“ Doch in Wirklichkeit ist es nicht Ennis, sondern Jack, der keine Bohnen mehr sehen kann. Ennis ist bereit, auf seine geliebten Bohnen (vgl. später sein genüssliche "mmm", als er Bohnen isst) zu verzichten, um seinem Arbeitskollegen einen Gefallen zu tun.
0:14:11 Ennis ist entspannt und fröhlich (vielleicht, weil er Jack jetzt was anderes bieten kann, als immer nur Bohnen) und summt das alte Cowboy-Lied „The Streets of Laredo“ vor sich hin, das von einem angeschossenen und sterbenden jungen Cowboy handelt, „who used to go gay“, wobei „gay“ hier natürlich nicht im neueren Sinne von „schwul“ gemeint ist, sondern im älteren Sinne von „lustig“, „lebenslustig“ oder auch „liederlich“ (wie im Falle des sterbenden Cowboys). Das Lied endet mit der Strophe: „We beat the drum slowly and played the fife lowly, / And bitterly wept as we bore him along. / For we loved our comrade, so brave, young and handsome, / We all loved our comrade, although he'd done wrong.“ (http://en.wikipedia.org/wiki/The_Streets_of_Laredo)
0:14:31 Wie Heath Ledger in einem Interview erzählt hat, musste man ziemlich lange warten, bis der Bär so schön gebrüllt hat. Statt dessen saß er die meiste Zeit nur da und leckte sich die Lippen.
0:16:10 Noch verbittet sich Ennis eine zu intime Berührung von Jack
0:16:22 Wieder gibt Jack seiner Unzufriedenheit deutlich Ausdruck, diesmal über die „food situation“. Daraus entspinnt sich wieder eine Konversation zwischen den beiden darüber, welche Regeln hier oben auf dem Berg gelten und wer sie eigentlich kontrollieren soll. Ennis will bei den Regeln (und bei den Bohnen) bleiben, Jack nicht. (Ennis: „I'll stick with beans.“ - Jack: „Well, I won't.“)
0:16:42 SCHNITT. Ennis wird doch zum Komplizen von Jacks Regelbruch, bzw. die beiden haben einen Kompromiss gefunden: Statt, wie von Jack vorgeschlagen, eines der Schafe zu töten, schießen sie einen Hirsch. (Was aber natürlich ebenso verboten ist, wie Jacks Hinweis auf die Jagdbehörde („Game and Fish“) deutlich macht.) Wieder wird der Kontrast zwischen Jacks Ungeschicklichkeit („your dumb-ass missing“) und Ennis' Geschicklichkeit (er tötet den Hirsch mit einem Schuss) ausgespielt.
0:16:55 Wieder eine körperliche Berührung von Jack, die diesmal aber von Ennis nicht zurückgewiesen, sondern erwidert wird. Vielleicht, weil es keine zärtliche Berührung ist, sondern machohaftes (bzw. jungenhaftes) Rumgeschuppse.
0:16:59 „...bevor uns die Jagdaufsicht mit einem Elch erwischt“: Hier liegt ein Übersetzungsfehler vor: „Elk“ bezeichnet im nordamerikanischen Englisch (sowohl in den USA als auch in Kanada) den Wapiti Hirsch. Der Elch heißt in Nordamerika dagegen„moose“. Als die englischen Kolonisten nach Amerika kamen, übernahmen sie von den Algonkin-Indianern (möglicherweise kommt das Wort aus der Sprache der Abenaki oder Narraganset) das Wort „mos“ für den amerikanischen Elch. Damit wurde das Wort „elk“, das ursprünglich im Englischen den Elch meinte (und es im britischen Englisch auch heute noch tut), gewissermaßen „frei“, um eine andere Bedeutung zu übernehmen, und wurde dann auf das Wapiti angewendet.
0:17:27 Jack gibt seiner Unzufriedenheit über die Situation deutlich Ausdruck.
0:17:37 Ennis überprüft vorsichtig die Kapazität des Salzstreuers. Ein Hinweis darauf, dass Ennis doch ein guter, oder zumindest umsichtiger Koch ist, und keinesfalls so „schlecht“ im Kochen, wie er bald darauf behauptet (Jack: „Ich kann überhaupt nicht kochen, aber ich kann gut mit dem Dosenöffner umgehen.“ - Ennis: „Dann bist du nicht schlechter als ich.“)
0:17:58 Jack: „Es geht darum, dass wir beide hier sein müssten...“ („We both ought to be in this camp.“) Jack hat genug von einsamen Nächten. Ennis dagegen „wär gern da draußen“ („I wouldn't mind bein' out there“). Er ist die Einsamkeit gewohnt.
0:18:15 „Ich kann gut mit dem Dosenöffner umgehen.“ Das wird sich zeigen. Jack traut sich mehr zu, ist aber ungeschickter als Ennis; Ennis ist zwar geschickt, traut sich aber nicht viel zu („dann bist du nicht schlechter als ich.“)
0:18:25 Während Ennis im Vordergrund am Pferd werkelt und aufsteigt, kommt von hinten Jack heran gelaufen. Ennis reitet langsam, entspannt vor sich hin paffend, davon. (vgl. parallele Szene nach der 1. Zeltnacht.)
0:19:00 „Ich hab' da oben 'nen Coyoten geschossen“ - wieder wird auf den Unterschied zwischen Jacks „dumb-ass missing“ (vgl. Jacks Coyoten-Schieß-Versuch) und Ennis's Geschick hingewiesen. Prahlerei und zugleich sexuelles Inuendo: „mit Eiern so groß wie Äpfeln“ („balls on him the size of apples“).
0:19:10 So weit zu Jacks Umgang mit dem Dosenöffner. Zugleich ein visueller „Kalauer“: „to spill the beans“ (wörtlich: „die Bohnen verschütten“) heißt nämlich im Englischen soviel wie „etwas ausplaudern“, „etwas (unabsichtlich) verraten“. In der gleich darauf folgenden Kartoffelschäl-Szene versucht Jack mit aller Anstrengung nichts zu verraten und nicht zu zeigen, wie gerne er Ennis mal nackt sehen möchte.
0:19:17 Jack zwingt sich – wenn auch mit einiger Anstrengung, wie man etwa an seinem Schlucken merkt – nicht auf den nackten Ennis zu schauen, der sich im Hintergrund wäscht. (Im Buch sagt Ennis: „Dann wasch ich mal alles, wo ich dran komm.“) Im Buch kommt dieses gezwungene Nicht-hingucken übrigens nicht vor, dort heißt es vielmehr: „keine Unterhosen, keine Socken, bemerkte Jack“. Die Szene ist also spezifisch für den Film und baut eine erotische Spannung auf. Wenn sich Jack auch nur eine Sekunde erlaubt hätte, mal rüber zu spicken, dann wäre diese erotische Spannung gebrochen worden. So aber wird sie aufrecht erhalten, bis sie sich in der 1. Zeltnacht entlädt.
Diese filmische Geste des bewussten Nicht-Hinguckens könnte übrigens von einer Szene aus dem Western „Der schwarze Falke“ („The Searchers“, 1956) von John Ford inspiriert worden sein. Ich denke, dass Ang Lee im Vorfeld zu BBM noch einmal einige klassische Western angeguckt hat (ich glaube, irgendwo hat er das in einem Interview sogar mal gesagt), um das klassische „Westernfeeling“ zu bekommen, vor allem für die typische wortkarge, non-verbale Kommunikation der Westbewohner. Nirgendwo kann man diese so gut lernen wie beim größten aller Western-Regisseure, bei John Ford (eigentlich: John Martin Feeney, 1894-1973).
Der Film beginnt damit, dass der ehemalige Südstaaten-Soldat Ethan Edwards (John Wayne), der noch die Uniform trägt, lange Zeit nach Kriegsende auf die Ranch des Bruders in Texas zurückkehrt. Drei Jahre sind seit Ende des Bürgerkrieges vergangen, einige Steckbriefe könnten auf Ethan passen. Die lange Zeit der Trennung - aber wohl auch ihre unterschiedliche Lebensweise - hat die Brüder einander entfremdet.
Offenbar lieben sich Ethan und seine Schwägerin. Das wird im Film niemals ausdrücklich gesagt, sondern nur durch Gesten, Blicke und musikalische Hinweise angedeutet. In einer Szene hat der Kommandant der lokalen Texas Rangers (und Pfarrer) Captain Reverend Clayton (Ward Bond), der sich gerade im Haus befindet, um eine „Posse“ gegen marodierende Comanchen zusammenzustellen, gesehen, wie Ethans Schwägerin in einem anderen Zimmer den Mantel von Ethan nimmt und zärtlich streichelt. Dann gibt sie Ethan Hut und Mantel, und er küsst sie auf die Stirn. Clayton weiß wohl, was sich da hinter seinem Rücken abspielt, aber er guckt starr vor sich hin (d.h. nach vorne in Richtung Kamera) und nippt an seiner Kaffeetasse, um den beiden ihren kleinen intimen Moment zu lassen. Dadurch, dass Bond im Vordergrund steht und offenbar ganz bewusst NICHT hinschaut, bekommt diese kleine Szene eine ganz besondere emotionale Intensität und Intimität. Der Unterschied zu BBM ist natürlich, dass Captain Clayton hier nur als Dritter die Beziehung zweier anderer beobachtet (bzw. eben gerade nicht beobachtet).
Hier der Clip auf youtube:
(Später in BBM gibt es noch eine Geste, die ganz klar aus The Searchers „zitiert“ ist. Auch das Ende von BBM erinnert entfernt an das berühmte Ende von Fords „Searchers“.)
__________________ "Was vermeid ich denn die Wege,
wo die andern Wandrer gehn ..."
Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zum letzten Mal von Frank: 15.03.2009 13:19.
Frank, als Du damit angefangen hattest, konnte ich die Begeisterung der Anderen nicht nachvollziehen. Inzwischen ist mir völlig unbegreiflich, wieso das so war.
Ich finde Dein genaue Sezieren mittlerweile genial und Deine Hintergrundinformationen dazu das Tüpfelchen auf dem i und ich freue mich, daß Du Dir gerade mit viel Engagement die Zeit dazu nimmst.
__________________ Life hands you lemons then sell lemonade,
it´s the choice we make.
15.03.2009 22:04
brunika unregistriert
Ganz klasse, Frank!
Ich hab schon angefangen, mir die Postings in ein Word-Dokument zu kopieren, um sie "offline" in Ruhe nachzulesen (und zu sammeln).
Das ist ja eine Wahnsinnsarbeit, die Du Dir da vorgenommen hast!
Wenn es Dir recht ist, werde ich von Zeit zu Zeit meinen Senf dazugeben. Vielleicht fällt mir ja auch mal was auf, das Du übersehen hast (was ich kaum glauben kann, so gründlich, wie Du bist. Mir war zum Beipsiel bei der Szene im Trailer nicht aufgefallen, das genau bei den "nein"s zuerst Ennis zu Jack und dann Jack zu Ennis hinschaut.)
Ich finde gerade in der von Dir zuletzt beschriebenen Szene mit dem "Nicht-hingucken" diese ganz kurze Zucken von Jacks Augen, der lautlose Seufzer und das millimeterfeine Rucken seines Kinns in Richtung Ennis immer wieder besonders schön und gut gemacht.
Meinem lieben Töchterchen ist übrigens aufgefallen (ich hatte ihr gesagt: es wird nicht viel geredet, Du musst auf die Gesten und die Mimik achten), dass Ennis offensichtlich denkt "Angeber", als Jack behauptet, kein Pferd könne ihn abwerfen... Ich denke, sie hat recht!
Oh, du warst aber fleißig am Wochenende, Frank! So schnell hatte ich hier gar nicht mit Fortsetzungen gerechnet und konnte jetzt gleich mehrere in einem Rutsch genießen. Du wirst bestimmt einmal als "Brokeback Mountain Spezialist" in die Geschichte eingehen! In die Geschichte dieses Forums allemal!
Ich könnte ja meinen Kommentar, wenn er denn fertig wird, als Dissertation einreichen und einen Doktortitel in Brokologie machen, Ang, (Dr. brok.). (Nicht zu verwechseln mit der Proktologie, die sich mit gaaanz anderenDingen beschäftigt.)
__________________ "Was vermeid ich denn die Wege,
wo die andern Wandrer gehn ..."
Das ist wirklich phantastisch!
Ich habe mich gerade richtig festgelesen(und nicht das gemacht, was ich eigentlich tun sollte).
Das ist wirklich eine Wahnsinnsarbeit, aber ich freue mich, dass du sie auf dich nimmst!!!
Jetzt bin ich schon gespannt auf die nächsten Stationen.
Wenn das Teil fertig ist, sollte man es vielleicht in einem speziellen Thread zusammenhängend posten, dass man es ohne Unterbrechung von vorne bis hinten lesen kann.
Das ist wirklich genial Frank! Das ist ja wirklich eine Heidenarbeit aber absolut erstaunlich. Macht richtig Spass das zu lesen. Danke!
__________________ "Die wahre Ernte meines täglichen Lebens ist etwas so Unfaßbares, Unbeschreibliches wie Himmelsfarben am Morgen und Abend. Ein wenig Sternenstaub, ein Stückchen Regenbogen - das ist alles." ~ Henry David Thoreau
Dein Kommentar ist wirklich ein Traum,
vielen Dank, Frank!!
(Btw: Proktologie, da musste ich kichern.
Der neue Chefarzt in dem Haus, in dem mein Mann arbeitet, hat als Spezialgebiet die Proktologie. Intern ist sein Spitzname daher "Rosettenpapst". Als mein Mann das erzählt hat, musste ich schon wieder an BBM denken ...)
Huhu Frank, großes Dankeschön für die viele Arbeit die Du dir hier machst, ich trau mich deswegen fast nicht zu fragen....ob es den möglich wäre das englische auch ins deutsche zu schreiben? ich kann nur ganz wenig englisch und würde aber gerne jedes Wort von dem was Du schreibst verstehen.
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Glück ist,
der Moment, wo Dein Auge seinen
Seelenpartner erkennt
Echt der Wahnsinn Dr.brok.Frank!
Wer sich solch eine Arbeit macht, hat einen entsprechenden Titel wahrlich verdient!
Es zusammenhängend in einem eigenen Thread lesen zu können (wie von Frankie vorgeschlagen) wäre echt super.
Wirklich beeindruckend!
Hallo Frank! Ich bin total begeistert von deinen Ausführungen. Vorallem den Hinweis auf den Film vom schwarzen Falken!!! Klasse! Ich habe diesen Film als Kind bestimmt 100 mal gesehen! Hatte einen schönen Flashback daran ...grins...
Bitte mach weiter! Ich kann`s kaum erwarten...
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Als Ennis bei trügerischem, trunkenem Licht gegen den Wind wieder zu den Schafen ritt, war ihm,als hätte er noch nie so einen schönen Abend verbracht und als könnte er das Weiße aus dem Mond rausprügeln.
Vorbemerkung: Die Zeitangaben muss man "cum grano salis" lesen. Ich arbeite jetzt mit einem anderen Video-Viewer (VLC media player) und stelle fest, dass nach 20 Minuten Film der Zeitunterschied zum Windows Mediaplayer ungefähr bei 40 Sekunden liegt.
0:20:31 „Mmmm“ sagt Ennis beim Bohnenessen – er hat also nicht deshalb Suppe beim Basken bestellt, weil er „keine Bohnen mehr sehen“ kann, sondern weil er will, dass es Jack gut geht.
0:20:42 Jack verweist mit dem Gürtelschnallenschnapper auf das Rodeo (und auf seine Hüftregion). Auf der Schnalle ist ein Pferd zu sehen. Auch künftig werden immer wieder Abbildungen von Pferden in Jacks Nähe zu sehen sein.
Die kleine Geste führt auch dazu, dass Ennis von sich aus eine Konversation übers Rodeo beginnt (bisher hatte immer Jack das erste Wort) und Jack anschaut (bisher vermied er meist direkten Blickkontakt). Das vordergründige Thema der nun folgenden Konversation ist das Rodeo; in Wahrheit reden die beiden aber vor allem über ihre Väter.
0:21:07 Noch trinken beide den Whisky aus getrennten Gefäßen (Jack aus der Flasche, Ennis aus seinem Becher); später werden beide aus derselben Flasche trinken.
0:21:54 Jack atmet zusehens schwerer, während Ennis seine Lebensgeschichte erzählt: Zeichen der emotionalen Erregung. Jack hört aufmerksam zu, und Ennis kann nun aus sich heraus: „Jeder hörte respektvoll die Meinungen des anderen an, jeder war froh, einen Gefährten gefunden zu haben, wo er keinen erwartet hatte.“ (A. Proulx, Brokeback Mountain, S. 313)
0:22:05 „...that's how come, me end up here.“ Nachdem Ennis seine Lebensgeschichte erzählt hat, die mit seinem hier-Sein auf dem Brokeback Mountain endet, schauen sich die beiden erstmals in die Augen und ein leichte Lächeln erscheint auf Ennis' Gesicht (später dann, nach Jacks Rodeo Pantomime, wird es zu einem richtigen Lachen).
0:22:22 Nachdem Ennis zugegeben hat, dass er im letzten Jahr nicht so viel geredet hat wie eben, scheint er für einen Moment nachdenklich, ja peinlich berührt, so als würde ihm auf einmal klar, was er da eben gesagt hat. Jack guckt danach auch ein wenig traurig oder zumindest nachdenklich nach unten. Erst hier oben mit Jack wird Ennis zum vollständigen menschlichen Wesen, d.h. zum sprechenden Wesen.
Ennis bricht das peinliche Schweigen und provoziert Jack mit seiner Bemerkung über Rodeo-Reiter als „fuck-ups“ (vgl. dazu auch die Seitenblicke auf Jack, 0:22:32 und 0:22:37).
0:22:56 Jacks finaler Sturz sorgt nicht nur für „comic relief“, sondern verweist auch wieder auf den Widerspruch zwischen seinen im wahrsten Sinne des Wortes hochfliegenden Ansprüchen, Träumen und Hoffnungen und der missglückten Ausführung.
0:20:08 Das helle und bewegte Bild der Schafe nimmt die heitere Stimmung der vorhergehenden Szene auf und führt sie weiter.
0:23:43 Ennis berührt Jack von sich aus.
0:23:44 Jack versucht auf der Mundharmonika „He was a friend of mine“ zu spielen.
0:24:20 Das Lied, das Jack singt, „Waterwalking Jesus“, ist kein echtes Kirchenlied, sondern eine Erfindung von Annie Proulx (Titel des Liedes), James McMurtry (Singer-Songwriter, Sohn von Drehbuchautor Larry McMurtry) und Stephen Bruton. Das Motiv des „Auf-dem-Wasser-Laufens“ kommt aus dem Matthäus-Evangelium, 14, 22-33 und Markus 6, 45-52: Die Jünger befinden sich in einem Boot mitten auf dem Meer in Seenot, als plötzlich zu ihrem Schrecken Jesus auf der Wasseroberfläche auf sie zu geht. Er spricht sie an: „Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht!“ (Matth., 14, 27) Darauf bittet Petrus Jesus, er möge ihn auch übers Wasser laufen lassen. „Komm her!“ sagt Jesus. Petrus geht auf dem Wasser ein paar Schritte auf Jesus zu, als er aber den Wind bemerkt, verliert er das Vertrauen und sinkt unter. Jesus rettet ihn und sagt: „O du Kleingläubiger, warum zweifelst du?“ – Auch in der folgenden Geschichte, geht Jack mit seinen Träumen voran - „Auf-dem-Wasser-laufen“ ist auch Metapher für ein extrem gefährliches Unterfangen, bei dem man jederzeit „untergehen“ kann – aber Ennis ist „kleingläubig“ und wagt ihm nicht zu folgen. (Vgl. auch der Name Ennis del Mar.)
0:24:36 Inzwischen trinken Ennis und Jack aus derselben Flasche.
0:24:45 Die Konversation über Pfingsten („Pentecost“) offenbart ein tragisches Missverständnis: Die Ausgießung des Heiligen Geistes (d.h. des Geistes Gottes, vgl. Apostelgeschichte 2,1-41, im übertragenen Sinne des göttlichen Geistes der Liebe) als „Kraft aus der Höhe“, wie es im Lukas-Evangelium heißt, wird mit dem Jüngsten Gericht verwechselt. Sex (Ennis: „ich hatte noch nie die Gelegenheit“) wird mit Sünde gleichgesetzt, für die „Leute wie du und ich“ in die Hölle kommen („fellas like you and me march off to hell“). Allerdings ist Ennis' Hinweis auf die bislang fehlende „Gelegenheit“ und sein schelmisches Lächeln dabei fast schon ein Angebot an Jack, der daraufhin auch mit einem genüsslichen „mmhm“ dreckig lacht und Ennis die Whisky-Flasche reicht.
0:26:27 Der Vollmond ist zum einen Indikator für die Zeit, die auf dem Brokeback vergeht (später sehen wir noch einmal einen Vollmond, es ist also mindestens ein Monat vergangen). Zum anderen hat der Mond auch symbolische Bedeutungen: In der westlichen Tradition ist der Mond vor allem mit dem Weiblichen (vgl. "la luna", "la lune", auch im Englisch ist "moon" eine "she") und dem Unbewussten verknüpft. Der Vollmond unter anderem ein Symbol für Fülle und Vollendung, auch für Tod. Bei Vollmond ist die vermutete magische "Kraft" des Mondes am stärksten (vgl. das Motiv vom Werwolf, der sich nur bei Vollmond verwandelt). Im Chinesischen ist der Vollmond auch Symbol für Zusammensein und Vereinigung. (Der Vollmond stand aber an der Stelle wohl schon im Drehbuch, bevor Ang Lee als Regisseur feststand.)
0:26:47 Jack nimmt Ennis' Arm und legt ihn sich um den Körper, um Ennis' Hand „an sein steifes Glied“ zu führen (Annie Proulx, Brokeback Mountain, S. 314). Gegen Ende des Films, in der letzten Szene, in der Ennis und Jack gemeinsam in einem Zelt schlafen (am See), liegt wieder Ennis's Arm um Jacks Körper.
0:28:39 Während Ennis im Vordergrund am Pferd werkelt und aufsteigt, kommt von hinten Jack heran gelaufen. (Vgl. Parallele zu 0:18:25) Doch diesmal reitet Ennis schnell, angespannt davon. Auch ist jetzt drohend im Vordergrund das Gewehr als latente Androhung von Gewalt und Tod zu sehen, während die Waffe in der Parallelszene zehn Minuten vorher friedlich und unauffällig in einer Satteltasche steckte.
0:29:14 Die wild zerklüftete Landschaft und der zerrissene Wolkenhimmel spiegeln Ennis's inneren Aufruhr wieder.
0:30:09 Der Schafskadaver: Statt auf die Schafe aufzupassen, hat Ennis Jack gefickt. Die Strafe folgt auf dem Fuß: Eines der Schafe wird gerissen. Tod als Strafe für den Tabubruch. Ennis's Kindheitstrauma wiederholt sich. (Ursprünglich wollte Ang Lee die Parallele zwischen dem toten Schaf und dem ermordeten Earl bildlich noch deutlicher gestalten, hat dann aber davon Abstand genommen, um es nicht zu offensichtlich zu machen.)
0:30:18 Jack wäscht nackt und frierend Ennis's Hemd. Die Nacktheit betont seine Verletzlichkeit und Ausgesetztheit (Parallele zum getöteten Schaf?). Die Nacktheit ist evtl. auch ein Verweis auf die Geschichte vom Garten Eden: Nachdem Adam und Eva vom „Baum der Erkenntnis gegessen“ haben, also ihre Unschuld verloren haben, „da wurden ihre Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren“ (1. Mose, 3,7).
0:30:41 Das Fell des erschossenen Kojoten als weiteres Unheils-, bzw. Todessymbol?
0:30:47 Jack ist zu Ennis nach oben auf die Schafweide gekommen.
0:31:21 „This is a one-shot thing we got goin' on here“: Grammatikalisch gesehen eine Verlaufsform, also „eine einmalige Sache, die wir hier am Laufen (goin' on) haben.“
0:31:32 „You know, I ain't queer“ - „Du weißt, ich bin nicht schwul.“ Ennis's tragische „Hamartia“, sein tragischer Irrtum, der die Tragödie in Gang setzt.
Er benutzt das Wort „queer“, nicht „gay“. „Gay“ - von französich „gai“, eigentlich „fröhlich“, „froh“, gelegentlich mit dem Unterton „liederlich“ oder „leichtfertig“ - ist erstmals im Slang der 1930er Jahre als Wort für „homosexuell“ nachweisbar. In den späten 60er und in den 70er Jahren ist der Begriff dann von der städtischen Schwulenbewegung aufgegriffen und offensiv positiv umgewertet worden, nicht zuletzt, um die abwertenden Konnotationen von „queer“ zu vermeiden. Das (ursprünglich medizinische) Wort „homosexuell“ bezeichnet dann ganz allgemein alle, die vom eigenen Geschlecht sexuell angezogen werden; „gay“ dagegen speziell jene, die sich offen und durch ihren „Lebensstil“ zu ihrem Schwulsein bekennen. „Queer“ (mit dem deutschen Wort „quer“ verwandt, das laut Oxford English Dictionary möglicherweise sogar der Ursprung des englischen Wortes „queer“ sein könnte) bedeutet „seltsam“, „eigenartig“, „suspekt“, „verrrückt“, „verschroben“ und eben auch „schwul“. „Queer“ ist jemand, der sozusagen quer steht zur Normalität. Kein Wunder, dass Ennis und Jack so emphatisch verneinen, „queer“ zu sein.
In der neueren akademischen Gender-Theorie ist der Begriff „queer“ aber wieder positiv aufgenommen worden als Oberbegriff für alle homo- und transsexuellen Geschlechterrollen.
__________________ "Was vermeid ich denn die Wege,
wo die andern Wandrer gehn ..."
Hallo! Ich bin gerade wieder sprachlos und total ergriffen. Da sind wieder so viele Anregungen drin, das ich bestimmt noch die ganze Nacht darüber grübeln werde. Ich finde es total spannend und werde mir das jetzt noch mehrmals durchlesen bis alles angekommen ist! Vielen Dank ! Super
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Als Ennis bei trügerischem, trunkenem Licht gegen den Wind wieder zu den Schafen ritt, war ihm,als hätte er noch nie so einen schönen Abend verbracht und als könnte er das Weiße aus dem Mond rausprügeln.
Aber hier muss ich widersprechen. Ich glaube nicht, dass Ennis Jack berührt, sondern ihm nu den Baumstamm stützen will. Die Diskussion gab es aber schon ein paar Mal. So ganz eindeutig ist es wohl nicht.
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...und traten zusammen hinaus in den Nebel, der den Fuß ihres Leuchturmes immerwährend umgab. Und nach ein paar Schritten waren sie ganz darin verschwunden. (Nachtschatten)