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Metallikatz
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Ich hab jetzt nicht alle Beiträge komplett gelesen. Aber für mich ist "I swear" eigentlich kein Versprechen für etwas das Ennis tun wird o.ä., für mich ist es eigentlich immer ein Anfang eines Satzes "I swear... I loved you" weil er es ihm nie sagte.
Die Szene bei Jacks Eltern empfinde ich als sehr deprimierend. Ich glaube Ennis ist da erst mal sehr erschlagen von allem, dieser rätselhaften Information, dass Jack mit jemand anderem auf die Ranch kommen wollte, dazu der Wunsch von Jack, seine Asche auf Brokeback verstreut zu haben, das mit den Hemden. Ich finde es gut dass der Film nicht mehr zeigt, wie es weitergeht, aber egal wie lange etwas her ist, wenn ich erfahre dass jemand, den ich geliebt habe, bittet, dass seine Asche an "unserem" Ort verstreut wird und mir dieser Mensch quasi noch einmal eine letzte bedingungslose Liebeserklärung macht, dann würde ich absolut alles dafür tun, diesen Wunsch zu erfüllen.
Und ich denke schon dass Ennis dazu in der Lage war. (ich erwarte das von ihm!!!
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02.04.2007 23:29 |
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Kessi
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Moment
In meinem zweitem Forum in dem ich war wurde schon mal über die Daten im Drehbuch diskutiert und die sind zu der Meinung gekommen das sich Ang Lee am Ende dann doch mehr an das Buch gehalten hat, die Daten quasi nicht stimmen.
Denn wenn Jack und Ennis sich im Frühjahr 1981 gestritten hätten und Jack erst 1982 gestorben wäre, dann hätten sie sich ja noch mal im November sehen müssen. Also das macht gar keinen Sinn.
Wie gesagt im Buch ist es so das zwischen dem Besuch bei Jacks Eltern und dem Schwur ca ein Monat liegt.
Ich denke die Sache mit Troy ist einfach so das sie sich eben nicht darüber unterhalten haben wen Alma nun als Freund hat und es passt voll zu Ennis das er da nicht auf dem Laufenden ist. Ich glaube er ist der Typ Mann den sowas auch nicht interessiert. Ich denke nicht das Ennis seine Tochter zwei Jahre nicht gesehen hat, denn bei dem Treffen am See sagt er zumindest im Buch das er seine Töchter einmal im Monat sieht.
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02.04.2007 23:55 |
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Francine
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03.04.2007 08:28 |
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Huck Finn
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Das Ende ist für mich ein Schwachpunkt in dem Film. Warum? Es passt nicht.Versetze ich mich in die Lage von Ennis, so wäre ich mit dem Tod von Jack nicht mehr klar gekommen.
Der Schlüssel ist das letzte Treffen mit Jack, als Ennis mental zusammenbricht und gesteht, dass er es nicht mehr aushält. Er spürt, dass Jack diese ganze Situation nicht mehr ertragen kann und langsam an Ennis verzweifelt. Interessant ist in dem Zusammenhang, dass Jacks Vater Ennis erzählt, dass Jack vorhatte sich dieses Jahr von seiner Frau zu trennen "um mit so einem Typen aus seiner Nachbarschaft" eine Hütte oben zu bauen und mit ihm die Farm zu bewirtschaften. Das, was er ja immer mit Ennis wollte. Man muss sogar vermuten, dass es von Jacks Seite aus gar nicht mehr zu einem Treffen mit Ennis im November gekommen wäre.
Hier wird Ennis klar, dass er sich hätte entscheiden müssen und vielleicht war Ennis innerlich sogar endlich bereit dazu, weshalb er sich auf dieses Treffen im November auch schon freute. Doch der gewaltsame Tod von Jack ( er wird wahrscheinlich an einen falschen Typen geraten sein ), macht dem ganzen einen furchtbaren Schlußstrich.
Der Besuch bei Jacks Eltern ist dann der nächste Schlüssel. Denn eines scheint mir gewiss zu sein, die Mutter von Jack ahnt, dass da mehr war zwischen Ennis und Jack. Nicht umsonst macht sie ihm den Vorschlag, sich doch mal sein Zimmer anzuschauen und als sie ihm die Hemden einpackt merkt sie plötzlich, dass es zwei sind. Sie geht nicht darauf ein und packt die Hemden schnell ein, damit möglicherweise der Vater es nicht sieht. Sie ist auch nicht einverstanden mit der Entscheidung von Jacks Vater ( man beachte ihre Reaktion - vortrefflich von der Darstellerin gespielt - sie faßt sich kurz an den Hals und blickt zur Seite, weil sie es als grausam empfindet und Jacks schmerzvolles Gesicht nicht ertragen kann ). Der Vater ignoriert die ganze Zeit über die starke emotionale Erregung von Ennis, die ihm ja nicht normal vorkommen kann. Aber die Mutter ( wie Frauen so sind ) weiß genau Bescheid. Die Einladung zu einem neuerlichen Besuch ist keine Höflichkeitsfloskel. Dahinter steckt mehr.
Von Anfang an nagt es an Ennis, dass Jacks letzter Wunsch nicht erfüllt werden soll. Und er weiß es in dem Augenblick als er ins Auto steigt: Jack, ich schwör`s Dir...., was da aber nur gedanklich passiert.
Dazu muss man noch tiefer in die emotionale Verfassung von Ennis eintauchen. Sein Leben ist für ihn nun endgültig leer geworden und er merkt er jetzt so richtig, wie wahnsinnig er Jack geliebt hat und macht sich bittere Vorwürfe. Nun bleiben ihm nur zwei Hemden als Ersatz für eine Liebe, für die es in der Realität zu spät ist. Als Ersatzobjekt für jemanden, der unerreichbar geworden ist...
Das hält ein Ennis del Mar nicht mehr aus.
Da kommt der Besuch seiner Tochter. Als sie ihn ihre Heiratspläne eröffnet und ihre Erwiderung auf seine Frage, ob Kurt sie wirklich liebe, hört, guckt er nach draußen und in dem Moment hat er eine tief greifende Entscheidung getroffen. Und nach dieser Entscheidung ist ihm leichter. Deswegen sagt er seiner Tochter zu, zu ihrer Hochzeit zu kommen. Und es ist bezeichnend, dass er dafür seinen Job aufgibt ( Ang Lee`s indirekte Hinweise ).
Als sie geht und er ihre vergessene Jacke im Schrank legt, sieht er die beiden Hemden und die Karte. Was mag ihn durch den Kopf gehen? Er weiß, dass Leben kann ihm nichts mehr bieten, er ist zu einer tragischen verkrachten Existenz geworden. Ein Opfer seines Mangels an Mut. Aber jetzt steht fest: Er wird den letzten Wunsch seines geliebten Jack in einer letzten Aufwallung erfüllen und mit ihm zu ihrem Brokeback Mountain fahren um seine Asche dort zu verstreuen. Und Ennis weiß, er wird auch nicht mehr zurückkommen...
"Jack, ich schwör`s Dir..." ( ich habe Dich immer geliebt....und das mache ich noch wahr ).
Das ist meine Interpretation.
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Dieser Beitrag wurde 3 mal editiert, zum letzten Mal von Huck Finn: 04.05.2007 19:38.
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04.05.2007 19:15 |
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AngLee
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Huck, du schreibst einerseits, dass das Filmende für dich ein Schwachpunkt ist, weil für dich klar ist: Ennis kommt mit dem Tod von Jack nicht mehr klar.
Andererseits lässt das Ende so viele Möglichkeiten für die Zukunft offen. So viele Bedeutungen des Schwurs und Handlungsmöglichkeiten für Ennis. Du hast deine Version auch gefunden - Jacks Asche auf dem Brokeback verstreuen und selbst auch nicht mehr zurückkehren. Eine interessante Vorstellung, die mir so noch nie gekommen ist. (das Loch, in das man durch Jacks Tod fällt aber noch ein wenig vertieft).
Was ich damit sagen will: so schwach kann das Ende doch nicht sein. Was schlimm ist, ist die Tragik durch Jacks Tod. Wie hätte der Film denn deiner Meinung nach enden können/ sollen? Hast du eine Vorstellung?
Zitat: |
Original von Huck Finn
Interessant ist in dem Zusammenhang, dass Jacks Vater Ennis erzählt, dass Jack vorhatte sich dieses Jahr von seiner Frau zu trennen "um mit so einem Typen aus seiner Nachbarschaft" eine Hütte oben zu bauen und mit ihm die Farm zu bewirtschaften. Das, was er ja immer mit Ennis wollte. Man muss sogar vermuten, dass es von Jacks Seite aus gar nicht mehr zu einem Treffen mit Ennis im November gekommen wäre.
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Zitat: |
Original von krokomaus
Ich bin auch immer davon ausgegangen, dass Jack nicht zu dem Treffen im November gekommen wäre. Für ihn war die Beziehung nach Ennis´ Satz: "Ich halte das nicht mehr aus" beendet, denn sie hatten ja damals ausgemacht, wie lange das mit ihnen gehen sollte: "So lange wir es aushalten." |
Ich glaube schon, dass Jack zum Treffen im November gekommen wäre. Der Streit auf dem Parkplatz ist doch eher spontan entstanden. Der Zündstoff war zwar vorhanden, die Zündflamme war aber erst Ennis´ Terminabsage. Es war also keine geplante Aussprache und Jack hatte gar keinen Plan. In der Kurzgeschichte von Annie Proulx steht dazu, dass sie nach dem Zusammenbruch von Ennis alles wieder halbwegs so hinbogen wie es zuvor war. "Nichts war zu Ende, nichts begann, nichts war geklärt." Für mich bedeutet das, es wäre erst mal so weitergelaufen.
Und zu Jacks Vater: er sagt zwar, dass Jack mit einem anderen Typen die Farm bewirtschaften wollte - und allein das verletzt Ennis ja zutiefst - aber er sagt auch, dass daraus nichts wurde. Meine Interpretation: Jack hat zwar in Erwägung gezogen, sein Leben mit einem anderen Mann zu teilen, aber er hat es nicht fertig gebracht.
@Krokomaus:
Die Sätze "So lange wir es aushalten" und "Ich halte das nicht mehr aus" hab ich noch nie so gegenübergestellt. Du hast recht. Demnach müsste sich jetzt etwas verändern. Denn sie wollten diese "ab und zu mal"Treffen in den Bergen ja nur so lange beibehalten, wie sie es aushalten. Eine Veränderung kann also auch im positiven Sinne stattfinden. Zum Beispiel durch eine Sinnesänderung von Ennis. Sie haben ja damals nicht gesagt, dass ihre Beziehung zu Ende ist, wenn sie diese Geheimnistuerei nicht mehr aushalten.
@ Huck Finn:
Deine Interpretation zieht ganz schön runter. Deshalb kratz ich hier gerade all meine halbwegs positiven Gedanken zusammen. Sozusagen als Strohhalm.
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04.05.2007 21:55 |
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Huck Finn
Truthahnschneider
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Hallo Ang Lee!
Zitat: |
Original von AngLee
Andererseits lässt das Ende so viele Möglichkeiten für die Zukunft offen. So viele Bedeutungen des Schwurs und Handlungsmöglichkeiten für Ennis. |
Weißt Du, ich versetze mich da ganz tief in die Lage von Ennis. Es ist nicht unbedingt leicht diese tiefe leere und Verzweiflung sich vorzustellen und ich glaube ( dass habe ich auch in einer Rezension geschrieben ), dass man das wahrscheinlich nur annähernd nachvollziehen kann, wenn man selbst schon mal erlebt hat, wie schlimm es tatsächlich ist unerreichbare, unerfüllte Liebe auzuhalten. ( Dass soll jetzt um Gottes Willen nicht belehrend gemeint sein!) Das Gefühl der Verzweiflung kann unerträglich sein. Daran sind schon so manche gescheitert und im Prinzip ist die Literatur auch voll davon. Die Geschichte von BbM hat deshalb auch einen Touch von Shakespeares Romeo&Julia.
Zitat: |
Was ich damit sagen will: so schwach kann das Ende doch nicht sein. Was schlimm ist, ist die Tragik durch Jacks Tod. Wie hätte der Film denn deiner Meinung nach enden können/ sollen? Hast du eine Vorstellung? |
Ich habe mir darüber noch nicht so intensiv Gedanken gemacht, ich will auch erstmal noch von Annie Proulx, "Geschichten aus Wyoming" lesen. Denn diese sollte man wohl kennen wenn man das Land und die Menschen verstehen will und warum es für die Beiden nur schwer einen Ausweg gegeben hätte.
Das Ende ist insofern schwach, weil es einen so furchtbar allein läßt. Man will einfach wissen, was wird aus Ennis. Bei dieser letzten Szene verkrampft sich innerlich alles so vor Schmerz. Das ist echt kaum auszuhalten.
Meine letzte Einstellung wäre vielleicht gewesen, wie er am Brokeback ankommt, es ist noch Tag, er macht sich ein Lager (angedeutet ). Und dann als nächste Einstellung, wie der Abend zur Nacht wird...er sitzt vor dem Bergpanorama...Er schaut in die Weite und sagt gebrochen..."Jack...,Du alter Mistkerl Twist...."( die Aúgen wässrig )...Die Kamera wandert zu seinen Füßen auf eine leere Urne und nach etwa 20 Sekunden hört man nur ein Fallen...die Kamera zieht sich in die Höhe zurück...man sieht Ennis auf einer Seite liegend...(bis dahin alles ohne Musik)...es gibt einen kurzen Schnitt, Kamera selbe Perspektive, aber nun am hellichten Morgen, Kamera entfernt sich weiter und Ennis liegt immer noch da wie vorher. Nun Abspann und Musik.
Ich weiß, mag für viele vielleicht zu melodramatsich sein, aber mir fehlt einfach gerade zum Abschluß dieser emotionale Höhepunkt.
Zitat: |
Und zu Jacks Vater: er sagt zwar, dass Jack mit einem anderen Typen die Farm bewirtschaften wollte - und allein das verletzt Ennis ja zutiefst - aber er sagt auch, dass daraus nichts wurde. |
Es wurde nichts daraus, weil er zwischenzeitlich ermordet wurde. Die Sache mit der Hütte war ja für September geplant.
Es muß für Jack ja nicht das entgültige Aus bedeutet haben, man hätte sich wohl ab- und an getroffen und wenn Ennis auch nur annähernd seine Einstellung geändert hätte, wäre Jack sofort mit ihm zusammengegangen. Und wenn es irgendwo eine Ranch gewesen wäre.
Zitat: |
Meine Interpretation: Jack hat zwar in Erwägung gezogen, sein Leben mit einem anderen Mann zu teilen, aber er hat es nicht fertig gebracht. |
Es wäre nur eine Notlösung für ihn gewesen - ein Kompromiß in dem nichts entgültiges hätte liegen müssen.
Zitat: |
Eine Veränderung kann also auch im positiven Sinne stattfinden. Zum Beispiel durch eine Sinnesänderung von Ennis. Sie haben ja damals nicht gesagt, dass ihre Beziehung zu Ende ist, wenn sie diese Geheimnistuerei nicht mehr aushalten. |
Ich gehe auch davon aus ( und das schrieb ich ja auch in meiner Interpretation ), dass Ennis soweit war. Ihm war nach dem letzten Treffen klar, dass er Jack sonst womöglich verlieren könnte.
Zitat: |
@ Huck Finn:
Deine Interpretation zieht ganz schön runter. Deshalb kratz ich hier gerade all meine halbwegs positiven Gedanken zusammen. Sozusagen als Strohhalm.
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Das verstehe ich und ich weiß was Du meinst, warum meinst Du wohl bin ich so fertig. Aber man muß dies in dem Kontext der Geschichte, des Films und des Landes sehen. Es ist nun mal eine tieftraurige Geschichte wie sie das Leben leider nur allzuoft schreibt. Erst im Rückblick - das ist die Tragik - erschließen sich doch einem die verpaßten Chancen, Irrwege, die Selbstüberschätzungen und man wünschte sich, man könnte nochmal das Rad zurückdrehen. Was nützen einem all die Erfahrungen und die Weisheit die man bis dato gemacht hat. Am Ende können wir nichts ungeschehen machen. Und manche verkümmern daran...genau dass ist die Botschaft dieses Films. Wie Menschen, die einfach nicht aus sich herauskönnen, an sich und ihrer Umwelt scheitern und daran regelrecht zu Grunde gehen. Man hält es aus...so lange eben bis es nicht mehr geht. Und genau so ist es bei Ennis.
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Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zum letzten Mal von Huck Finn: 04.05.2007 23:15.
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04.05.2007 23:08 |
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AngLee
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Zitat: |
Original von Huck Finn
Das Ende ist insofern schwach, weil es einen so furchtbar allein läßt. Man will einfach wissen, was wird aus Ennis. Bei dieser letzten Szene verkrampft sich innerlich alles so vor Schmerz. Das ist echt kaum auszuhalten.
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Huck Finn, das ist wohl wahr. Das kann ich so als Schwachstelle akzeptieren. Aber andererseits ist es gerade dieses offene Ende, das uns immer und immer wieder nachgrübeln lässt. Ennis lebt weiter. Wie kann er das nach Jacks Tod? Findet er einen Weg für sich? Ich glaube ich brauche diese Offenheit, die möglichen Perspektiven für Ennis, so traurig sie auch alle sind. In der Kurzgeschichte schreibt Annie Proulx, dass Jack nun in Ennis Träumen erscheint und Ennis dann versucht, diesen Traum über den Tag hin zu bewahren. Dann ist es ein guter Tag. Da steckt für mich so viel Trost drin. Auch wenn es Jack nicht wieder lebendig macht, aber er lebt doch gewissermaßen in Ennis weiter.
So hat denke ich jeder seine Vorstellung, seinen Trost oder auch Steigerung der Dramatik. Wie auch immer. Aber ich finde es nach wie vor besser, wenn sich das in meinem Köpf abspielt. Weil das im Film schnell zu emotionsgeladen wird. Und ein Selbstmord von Ennis,... hm, ich weiß nicht. Ich hätte es lieber, wenn er noch etwas weiterlebt, mit all den schönen Erinnerungen in sich. Kann man das aushalten?
Zitat: |
Es ist nun mal eine tieftraurige Geschichte wie sie das Leben leider nur allzuoft schreibt. Erst im Rückblick - das ist die Tragik - erschließen sich doch einem die verpaßten Chancen, Irrwege, die Selbstüberschätzungen und man wünschte sich, man könnte nochmal das Rad zurückdrehen. |
Das ist und bleibt der springende Punkt in der Geschichte. Das ewige "was wäre wenn..." Wenn Ennis anders gehandelt hätte, wenn Jack fordernder gewesen wäre, wenn Ennis nicht so ein Kindheitstrauma gehabt hätte...
Ein Rad, das nicht zurückgedreht werden kann.
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05.05.2007 00:15 |
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Huck Finn
Truthahnschneider
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Zitat: |
Original von AngLee Und ein Selbstmord von Ennis,... hm, ich weiß nicht. Ich hätte es lieber, wenn er noch etwas weiterlebt, mit all den schönen Erinnerungen in sich. Kann man das aushalten? |
Tja, dass ist es eben. Lieber wäre uns sicherlich so manch andere Variante. So könnte man auch da ansetzen, warum Ennis nicht letztlich doch den Schritt mit Jack gewagt hat. Eine Ehe gescheitert, eine weitere Beziehung gescheitert bevor sie richtig begann. Materiell und beruflich ist er nicht vorangekommen; was also verdammt nochmal, hätte Ennis noch zu verlieren gehabt?
Das fragen wir uns. Nur, wir sehen das letztlich aus einer anderen Perspektive, einer anderen Zeit.
Dabei geht es aber gerade um Menschen, die mit der Situation in die sie das Leben hineingeworfen hat, völlig überfordert sind. Ihre tiefsitzende Unsicherheit überlagert alles. Sie Leben in einem Land das rauh ist, dass ihnen nichts schenkt. Und trotzdem, ist es für Ennis Heimat und er konnte sich nie woanders ein Leben vorstellen, dazu war sie ihm zu fremd. Aber sie sind eben nicht die harten Cowboys die sie vielleicht gerne sein wollen. Und sie sind eben auch nicht die Mainstraims chwulen, die dem Drama und dem repressiven Druck mit einem Coming-out begegnen, wie wir es heute doch meist so kennen. Es geht um Selbsthaß, Selbstverleugnung und der vielfach ( speziell bei Ennis ) empfundenen Scham.
Beim letzten Treffen sagt Ennis in seiner Verzweiflung doch zu Jack: "Du bist Schuld, dass ich so bin". Es ist purer Ausdruck seiner ganzen Hilflosigkeit. Dieser Satz läßt tief blicken: Warum nur habe ich mich in Dich verliebt, mich interessieren doch sonst keine Männer. Hier zeigt sich eben auch die ganze Vielschichtigkeit. Es gibt eben kein schwarz und weiß. Ich finde gerade deswegen diesen Film so großartig, weil er eben auch zeigt, wie facttenreich Homosexualität (auch) ist. Das man homosexuell sein kein jenseits der üblichen Klischees und deshalb auch normal ist.
Hier war speziell Ennis stets überfordert.
Die Szene im im Fast-Food Restaurant ist da auch sehr bezeichnend, als seine ehemalige Freundin ein letztes Gespräch mit ihm führt. Auch hier tut er einen Menschen sehr weh, weil er nicht weiß wie er damit umgehen soll. Ennis sagt: "Du hast doch eh keinen Spaß mit mir gehabt", wie verletztend. Und sie : "Ennis, Frauen verlieben sich nunmal nicht in Spaß!". Sie versteht ihn nicht...wie soll sie auch.
Mit dem Tode Jack`s fließen eben gar nicht soviele schöne Erinnerungen in ihn hinein. Sie verursachen tiefen Schmerz. Deswegen hielte ich einen Suizid von Ennis durchaus für realistisch. Es wäre für mich eher logische Konsequenz eines gescheiterten Lebens. Hier macht Ennis sich nichts mehr vor.
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05.05.2007 01:19 |
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Herbie
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Zitat: |
Original von Huck Finn
Das Ende ist insofern schwach, weil es einen so furchtbar allein läßt. Man will einfach wissen, was wird aus Ennis. Bei dieser letzten Szene verkrampft sich innerlich alles so vor Schmerz. Das ist echt kaum auszuhalten.
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Gerade das hat mit am Ende vom BBM eigentlich "gefallen". Dadurch, dass das Ende offen bleibt, bieten sich dem Zuschauer viele Möglichkeiten zur Interpretation, um sich mit dem Film auseinanderzusetzen. Und ich muss ganz ehrlich sagen, dass es mir eher bei deinem "erweiterten Ende" das Herz zerreißt, weil dem Zuschauer da der letzte Funke Hoffnung genommen wird. So kann man immer noch hoffen, dass Ennis sich aufrappelt und ich persönlich glaube auch daran, dass Ennis vielmehr für Jack weiterleben als sich für ihn umbringen will. Jacks Tod verdeutlicht ihm, was er sich quasi durch die Lappen hat gehen lassen und wie viel Zeit er eigentlich verschwendet hat. Für mich ist die letzte Szene im Wohnwagen der Punkt, wo es mit Ennis wieder aufwärts geht. Anstatt wie früher wie ein Besessener zu Ackern und das komplette Aufwachsen seiner Kinder zu "verschlafen", ist er hier endlich aufgewacht. An der Vergangenheit kann er nichts mehr ändern, aber die Zukunft kann er sich noch hinbiegen. Jacks Tod zeigt ihm die Fehler auf, die er gemacht hat und die er von nun an nicht mehr machen will. Jacks Tod war eine Lehre für ihn, die ihm vor Augen geführt hat, wie wichtig es ist, das Leben nicht einfach so an sich vorbeiziehen zu lassen, sondern daran teilzuhaben und die Zeit, die einem bleibt, mit den Menschen, die man liebt zu nutzen.
Im Buch ist hier von Ennis' Seite aus keine Veränderung erkennbar. Da endet das ganze damit, dass er in seinem Wohnwagen liegt, sich in den Schlaf heult und es eben aushalten muss das Jack tot ist. Dagegen empfinde ich das Ende des Films schon fast als "Happy End", da man Ennis hier den ersten Schritt in die richtige Richtung machen sieht, nämlich wieder am Leben der Menschen, die ihn lieben und die er liebt, teilzuhaben.
Daran das Ennis Selbstmord begehen würde, glaube ich auf keinen Fall, denn dann hätte er durch den Tod von Jack nichts gelernt.
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05.05.2007 00:43 |
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AngLee
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Zitat: |
Original von Herbie
Im Buch ist hier von Ennis' Seite aus keine Veränderung erkennbar. Da endet das ganze damit, dass er in seinem Wohnwagen liegt, sich in den Schlaf heult und es eben aushalten muss das Jack tot ist. Dagegen empfinde ich das Ende des Films schon fast als "Happy End", da man Ennis hier den ersten Schritt in die richtige Richtung machen sieht, nämlich wieder am Leben der Menschen, die ihn lieben und die er liebt, teilzuhaben.
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Herbie, was du da zum offenen Ende des Films schreibst, sehe ich auch so. Aber das Buch muss ich mal wieder in Schutz nehmen.
Also: Ennis heult sich nicht in den Schlaf. Und er muss die Ungewissheit darüber aushalten, wie Jack gestorben ist (Mord oder Unfall).
Klar, im Film öffnet er sich dem Leben, weil er zur Hochzeit seiner Tochter geht. Mehr erfahren wir auch nicht. Im Buch ist sein Wandel eher nach innen gerichtet, er lebt quasi mit der Erinnerung an Jack weiter (träumt von ihm), und das ist für ihn eine Perspektive. Eben eher nach innen gerichtet, nicht nach außen. Was meiner Meinung nach zum Typ Ennis mehr passt, aber filmisch natürlich schwer umzusetzen ist.
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05.05.2007 01:03 |
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cornflake
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Hallo Huck,
wow.
Wunderbar geschrieben, vielen Dank!
Du glaubst also, dass Ennis noch einmal zum Brokeback geht, Jacks Asche verstreut und sich dann dort das Leben nimmt?
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...und traten zusammen hinaus in den Nebel, der den Fuß ihres Leuchturmes immerwährend umgab. Und nach ein paar Schritten waren sie ganz darin verschwunden. (Nachtschatten)
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04.05.2007 19:23 |
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Huck Finn
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Zitat: |
Original von cornflake
Hallo Huck,
wow.
Wunderbar geschrieben, vielen Dank!
Du glaubst also, dass Ennis noch einmal zum Brokeback geht, Jacks Asche verstreut und sich dann dort das Leben nimmt? |
Ja, das wäre meine Reaktion. Und das ist nicht so einfach dahingesagt.
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04.05.2007 19:26 |
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Schäfchen unregistriert
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Zitat: |
Original von Huck Finn
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Original von cornflake
Hallo Huck,
wow.
Wunderbar geschrieben, vielen Dank!
Du glaubst also, dass Ennis noch einmal zum Brokeback geht, Jacks Asche verstreut und sich dann dort das Leben nimmt? |
Ja, das wäre meine Reaktion. Und das ist nicht so einfach dahingesagt. |
Interessante Theorie!
Bin ich ehrlich gesagt noch nie drauf gekommen.
Meine Gedanken kreisten immer mehr um die Idee, ob nicht eher Jack Selbstmord begangen hat.
Im Moment kann ich mich mit einem Ennis-Sebstmord noch nicht anfreuden, kann mir das einfach nicht vorstellen, aber ich werde mir Gedanken darüber machen und darauf zurückkommen!
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04.05.2007 19:37 |
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cornflake
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Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich das Leben nimmt, weil er so sehr an seinen Töchtern hängt....
Das glaube ich einfach nicht.
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...und traten zusammen hinaus in den Nebel, der den Fuß ihres Leuchturmes immerwährend umgab. Und nach ein paar Schritten waren sie ganz darin verschwunden. (Nachtschatten)
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04.05.2007 19:26 |
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cornflake
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Vielleicht hast Du Recht.
Aber trotzdem kann ich es mir nicht vorstellen, dass Ennis sich das Leben nehmen würde. Ich bin der Meinung, dass er in der Hochzeit seiner Tochter einen neuen Hoffnungsschimmer sieht. Das Leben geht weiter, auch wenn es ihm das Herz zerreisst.
Seine Tochter braucht ihren Vater (auch wenn sie jetzt einen Mann gefunden hat) und das versteht Ennis endlich.
Er hat durch Jacks Tod gelernt, zu denen zu stehen, die ihn lieben.
Und genau DAS hat er meiner Meinung nach begriffen, als er nach der Ankündigung der Hochzeit aus dem Fenster gesehen und an Jack gedacht hat.
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...und traten zusammen hinaus in den Nebel, der den Fuß ihres Leuchturmes immerwährend umgab. Und nach ein paar Schritten waren sie ganz darin verschwunden. (Nachtschatten)
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04.05.2007 19:37 |
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krokomaus
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@ Huck:
Ich bin auch immer davon ausgegangen, dass Jack nicht zu dem Treffen im November gekommen wäre. Für ihn war die Beziehung nach Ennis´ Satz: "Ich halte das nicht mehr aus" beendet, denn sie hatten ja damals ausgemacht, wie lange das mit ihnen gehen sollte: "So lange wir es aushalten." Und Ennis hälte es nicht mehr aus. Das war der Anlaß für Jack nach einem Leben ohne Ennis - also mit einem Kerl aus der Nachbarschaft - zu suchen.
Zwar denke ich, dass Ennis nicht unbedingt Selbstmord begangen hätte - wie Corny schon sagte wegen seinen Töchtern - aber er hätte irgendwie einen Weg gefunden, sein Leben nur noch kurz zu gestalten. Sei es durch Trunksucht oder Ähnliches. Ich bin mir sicher, Ennis hätte Jack nicht lange überlebt. Wäre ihm bestimmt innerhalb der nächsten zwei Jahre in den Tod gefolgt....
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04.05.2007 19:37 |
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Huck Finn
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Zitat: |
Original von krokomaus
Zwar denke ich, dass Ennis nicht unbedingt Selbstmord begangen hätte - wie Corny schon sagte wegen seinen Töchtern - aber er hätte irgendwie einen Weg gefunden, sein Leben nur noch kurz zu gestalten. Sei es durch Trunksucht oder Ähnliches. Ich bin mir sicher, Ennis hätte Jack nicht lange überlebt. Wäre ihm bestimmt innerhalb der nächsten zwei Jahre in den Tod gefolgt.... |
Ja, damit könntest Du auch Recht haben. Er wäre wohl so oder so daran zerbrochen.
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04.05.2007 19:44 |
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Schäfchen unregistriert
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Zitat: |
Original von krokomaus
Zwar denke ich, dass Ennis nicht unbedingt Selbstmord begangen hätte - wie Corny schon sagte wegen seinen Töchtern - aber er hätte irgendwie einen Weg gefunden, sein Leben nur noch kurz zu gestalten. Sei es durch Trunksucht oder Ähnliches. Ich bin mir sicher, Ennis hätte Jack nicht lange überlebt. Wäre ihm bestimmt innerhalb der nächsten zwei Jahre in den Tod gefolgt.... |
Ob wegen seinen Töchtern oder warum auch immer - zu einem Selbstmord halte ich Ennis nicht fähig - aber ich fand auch vorher schon (vor Jacks Tod) dass er in der ureigensten und wortwörtlichen Bedeutung "lebensmüde" war.
Daher glaube ich, dass du recht hast, Kroko, und Ennis Jack nicht lange überlebt hätte.
Andererseits ist er "ein zäher Hund" und lebt aus Instinkten heraus.
Wer weiß ...?
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04.05.2007 19:45 |
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cornflake
Ranchbesitzer
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@ krokomaus
genau!! so sehe ich das auch.
er wird sein leben mit dem alkohol beendet haben.
ein paar jahre hatte er bestimmt noch.
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...und traten zusammen hinaus in den Nebel, der den Fuß ihres Leuchturmes immerwährend umgab. Und nach ein paar Schritten waren sie ganz darin verschwunden. (Nachtschatten)
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04.05.2007 19:39 |
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