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Eva Eva ist weiblich
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Hm, Thomas, also wenn ich dich richtig verstehe, ist die homophobe Gewalt das prägnante Element, das die Tragik dieser homosexuellen Liebe in BBM von allen anderen unglücklichen Lieben unterscheidet?
Ich überlege gerade, ob es nicht Parallelen zu anderen "Paaren" gibt........?
Es gibt z.B. Länder, in denen zwei Menschen, die sich lieben, aber mit anderen Partnern zwangsverheiratet sind, gesteinigt werden wegen Ehebruch. Solche zwei Menschen müssten ihre Liebe auch geheim halten und müssten bei Entdeckung den Tod fürchten. Auch sie könnten nicht zusammenfinden.

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01.05.2009 21:34 Eva ist offline E-Mail an Eva senden Beiträge von Eva suchen Nehmen Sie Eva in Ihre Freundesliste auf

brunika
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Nun Eva, wenn ich Thomas richtig verstehe, ist es nicht die homphobe Gewalt an sich, die BBM von anderen unglücklichen Lieben unterscheidet (wobei ich es, nebenbei bemerkt, gelinde gesagt etwas merkwürdig finde, pädophile oder inzestuöse Beziehungen in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Homosexualität ist doch wohl was ganz anderes. Ich könnte niemals mit einem Pädophilen oder Inzest-Täter wirklich mitfühlen. Da sollte man schon unterscheiden), sondern es sind die Kritiken, die das Bild, das der Film tatsächlich vermitteln soll, bewußt verzerren.
Sie "verniedlichen" die Aussage, lenken vom eigentlichen Kernthema ab. "Oh, zwei arme Jungs, die nicht so leben können, wie sie wollen, weil sie denken, dass die Gesellschaft es nicht zuläßt. Aber, wenn Ennis sich nur getraut hätte, dann..." Das habe ich häufig auch hier im Forum gelesen. Die Verantwortung wird auf den Einzelnen abgeladen, statt sie der Allgemeinheit zuzuschreiben.
Tatsächlich geht es aber darum, dass homosexuelle Paare auch heute noch nicht so leben können, wie sie möchten, weil die Gesellschaft das nach wie vor nicht zuläßt (in der damaligen - oder auch heutigen - Zeit).

Auch auf mich hat BBM zunächst wie eine universelle Liebesgeschichte gewirkt. Bei näherer Betrachtung steht aber durchaus die Gesellschaftskritik an erster Stelle.
Sagst Du nicht eigentlich genau das gleiche, wenn Du andere Länder mit anderen Voraussetzungen erwähnst? Dort wären es möglicherweise Zwangsverheiratete. Auch dann würde ein entsprechender Film nur in genau diesem Umfeld funktionieren. Die Zusammensetzung der Paare, die Probleme haben, hängt also ganz wesentlich von der Gesellschaft ab, in der sie leben (wird Pädophilie oder Inzest in irgend einer Gesellschaft toleriert? Entschuldige, ich habe Kinder. Ich bin echt empfindlich in dieser Hinsicht. Das lasse ich nicht mal als Beispiel gelten. Wäre eines meiner Kinder homosexuell, wäre das kein Problem. Inzest oder Pädophilie findet IMMER nur einer der Beteiligten gut.)

@frankie
Ich bin nicht der Meinung, dass sich die Problematik auf andere Paare so einfach übertragen lässt. Probleme können auch bei muslimisch/christlichen, schwarz/weißen usw. Paaren auftreten, klar. Aber dort fehlt der ganz wesentliche Faktor des Selbsthasses. Diese Paare werden ausschließlich mit der Ablehnung durch die Gesellschaft konfrontiert, Ennis und Jack aber müssen gleichzeitig damit fertig werden, dass sie etwas leben möchten, von dem sie selbst durch ihre Erziehung überzeugt wurden dass es "widernatürlich" ist. Nicht nur die Gesellschaft stempelt sie ab, sie verachten sich auch selbst. Und genau das unterscheidet sie von anderen möglichen Paarungen.

Ich - für mich - bleibe dabei: BBM ist kein universeller Liebesfilm
01.05.2009 22:56

AngLee Super Moderator AngLee ist weiblich


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Zitat:
Original von Frankie
"Universell"heißt für mich, dass es um eine Liebe geht, die gemäß den herrschenden Umständen und der Zeit, in der es um diese Liebe geht, eigentlich unmöglich ist, ihre Erfüllung zu finden.

Nach intensiven heimischen Diskussionen finde ich die Bezeichnung "universelle Liebesgeschichte" inzwischen auch nicht mehr abwertend, sondern durchaus zutreffend auf BBM. Es ist nur ausschlaggebend, in welcher Höhe man die Abstraktion platziert. Und da kann ich Frankies Aussage voll unterschreiben, die wirklich allgemeingültig und sowohl für BBM als auch Romeo und Julia zutreffend ist für mich.
Zitat:
Original von Thomas
... die Kritk versuchte seinerzeit teilweise den Film so darzustellen als sei es nur die Geschichte einer unglücklichen Liebe ( was es natürlich auf gewisse Weise ist) aber eben nur vordergründig. Es liegt einfach mehr Zündstoff darin, sodaß die Kritik natürlich durch diese Art von Definition der "universellen Liebesgeschichte" von der Tragweite dieses Filmes abzulenken versuchte.

"nur die Geschichte einer unglücklichen Liebe" . Ich würde das "nur" weglassen, dann fällt diese Abwertung flach und es bleibt die unglückliche Liebe. Und warum ist sie unglücklich? Weil sie gemäß den herrschenden Umständen und der Zeit eigentlich unmöglich ihre Erfüllung finden kann. Das ist schon genug Zündstoff für mich. Und damit ist sie auch universell. Bei BBM ist sie unmöglich aufgrund der bestehenden Homophobie in dieser Zeit, an diesem Ort. In Romeo und Julia sind es andere Gründe, in anderen Fällen wieder andere, z.B. religiöse, soziale, Unterschiede und, und, und...Jede unlebbare Liebe hat ihre eigene Tragik.
01.05.2009 23:35 AngLee ist offline E-Mail an AngLee senden Beiträge von AngLee suchen Nehmen Sie AngLee in Ihre Freundesliste auf

lundi96 lundi96 ist weiblich
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Ich meine, es gibt genug Konstellationen, wo sich auch Heteropaare nicht lieben können, z.B. im dritten Reich alle Deutschen, die einen Juden liebten etc.

Der ganz große Unterschied dazu ist für mich die Tatsache, daß die Liebe zwischen Jack und Ennis nicht wirklich unmöglich war, sondern nur in Ennis Kopf. Es wäre sicher nicht einfach gewesen, aber so lebensgefährlich wie Ennis aufgrund seines Kindheitstraumas glaubte, war es ja nicht. Allein die Tatsache, daß es Earl und Rich gab, zeigt ja, daß auch damals schwule Paare zusammen lebten und es sind sicherlich nur Ausnahmen tatsächlich getötet worden. Die Mehrheit mußte sich sicher "nur" mit dummen Sprüchen oder Verhaltensweisen auseinandersetzen. Die Gefahr, die Ennis sieht, ist mit Sicherheit nicht ganz auszuschließen, aber nicht annähernd so groß, wie Ennis glaubt. Im Gegensatz zu den von Eva erwähnten Zwangsverheirateten oder den Juden/Deutschen-Paaren, die spielen wirklich IMMER mit ihrem Leben, wenn sie entdeckt werden.

Die einzige Geschichte, die mir auf Anhieb einfällt und in etwa vergleichbar ist, sind die Dornenvögel. Ich hoffe, Ihr verzeiht mir den Vergleich und ein bißchen hinken tut er auch, aber auch da ist eine große Liebe nicht möglich, weil es einer der beiden nicht zuläßt. Der Pater könnte sein Amt abgeben und einen normalen Beruf ergreifen und es gäbe ein Happy End, aber ihm steht seine Berufung zu Gott und auch sein Ehrgeiz im Weg, er will möglichst Kardinal werden. Die Umstände sind natürlich schon anders, aber der Pater könnte sich theoretisch durchaus anders entscheiden und steht sich nur selbst im Weg genau wie Ennis, der sich ja THEORETISCH auch anders entscheiden könnte.

Das finde ich immer das besonders Tragische an BBM. Es ist eigentlich ein so unnötiges Leid. Das Leid der Juden/Deutschen-Lieben war unvermeidbar, das konnte damals niemand ändern, aber hier liegt die Ursache nur in Ennis selbst, in seinem Trauma. Natürlich ist dieses Trauma durch die Regeln der Gesellschaft entstanden, aber es war trotzdem nur ein unglücklicher Zufall, daß er das erlebt hat. Wäre er zur Tatzeit noch nicht geboren oder schon älter, hätte es ihn wahrscheinlich nicht so geprägt. Oder seine Eltern wären früher verunglückt oder Earl und Rich hätten woanders gelebt, egal, welche Kleinigkeit anders gewesen wäre, die Liebe zwischen Ennis und Jack wäre möglich gewesen. Und das macht mich immer so wahnsinnig, daß Ennis sein Unglück einerseits selbst verursacht, aber andererseits absolut nicht anders kann mit seinem Hintergrund.

Das finde ich immer viel tragischer, als wenn es TATSÄCHLICH nicht möglich gewesen wäre. Von daher empfinde ich die Geschichte auch nicht wirklich als Gesellschaftskritik. Sicher ist die Gesellschaft indirekt schuld daran, daß es zu Ennis Trauma kommt, aber es ist doch viel einfach nur Pech, daß der 9-jährige Ennis das miterleben mußte. Ohne dieses Erlebnis wäre sein Leben und seine Beziehung zu Jack ganz anders verlaufen, auch in dieser Gesellschaft. Deshalb ist für mich die Gesellschaft nur der Hintergrund und ich halte Gesellschaftskritik nicht für die Kernaussage und das Hauptanliegen des Films.

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01.05.2009 23:48 lundi96 ist offline E-Mail an lundi96 senden Beiträge von lundi96 suchen Nehmen Sie lundi96 in Ihre Freundesliste auf

Thomas
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Jetzt muss ich wirklich mal etwas loswerden, ich kann so manche Argumente die hier vorgebracht wurden durchaus nachvollziehen, aber eine Tatsache erschliesst sich mir überhaupt nicht. Diese Geschichte, dabei muss man auch die literarische Vorlage sehen, ist in meinen Augen nicht nur eine "tragische Liebesgeschichte", sondern eben auch die hier erwähnte Gesellschaftskritik. A.Proulx hätte durchaus eine wisschenschaftliche Abhandlung zum Thema "Homophobie" schreiben können, nein sie hat diese Kurzgeschichte geschrieben und das Thema darin verpackt. Dieser Film transportiert auf eindrucksvolle Weise diese Problematik.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es für manchen eben nur diese "Liebesgeschichte" sein soll, aber auch in der hier oft erwähnten Geschichte von "Romeo und Julia", steckt eine gehörige Portion Gesellschaftskritik. Sie lebten in einer Zeit, in der man seine Gefühle nicht frei zeigen konnte, hierüber gibt es ebenfalls sehr viele gesellschaftskritische Abhandlungen. Glaubt jemand ernsthaft das sich eine Geschichte wie die von Jack und Ennis, speziell in ländlichen Regionen Amerikas, nicht auch noch heute wiederholen könnte. Ich erinnere wirklich nochmals an den Fall von Matthew Shepard der sich 1998 zugetragen hat, der also knapp 10 Jahre zurück liegt. Die Dunkelziffer solch gewalttätiger Übergriffe ist ohnehin nicht einzuschätzen. Das nicht jede Beziehung mit dem Tod der Beteiligten endet ist auch klar(Gottseidank), doch weiss niemand von uns welchen Anfeindungen und Hass diese Menschen ausgesetzt sind. Deshalb glaube ich an die Aktualität dieser Geschichte, miit all seinen gesellschaftspolitischen Facetten. Wer noch ein Beispiel braucht, denkt nur an die damalige Oscar-Verleihung, hier wurde nach ganz besitmmten Kriterien geurteilt. An den verliehenen Oscar's kam die Jury einfach nicht vorbei, ohne sich blosszustellen.

Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zum letzten Mal von Thomas: 02.05.2009 08:10.

02.05.2009 07:48

mio mio ist weiblich
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Hallo,
dies hier ist eine äußerst interessante Diskussion, obgleich ich gestehen muss, dass ich einigen von euch nicht ganz folgen konnte in Bezug auf die Kritik an der Beschreibung von BBM als "nur" universelle Liebesgeschichte.
Ich verstehe nicht ganz, warum eine solche Beschreibung den Film abwerten sollte?
Wenn es tatsächlich so wäre, dass damit von der Kernaussage des Films abgelenkt werden soll, dann würde ich euch zustimmen, aber ich finde, es schließt sich gerade nicht aus, dass es hier um eine universelle Liebe geht und dass gleichzeitig (bzw. gerade damit) Gesellschaftskritik geübt wird.

Ich habe dazu folgende Gedanken: Für viele Menschen ist eine gleichgeschlechtliche Liebe "widernatürlich". Das verstehe ich so, dass diese Menschen denken, dass es gar keine wirkliche Liebe ist, die zwischen den Beteiligten herrscht, sondern irgendeine Art von Krankheit, von Fehlleitung im Gehirn. (So sehe ich im übrigen Pädophilie, das ist für mich tatsächlich eine krankhafte Form der "Liebe".)
In BBM wird m.E. vor allem auch gezeigt, dass zwischen Ennis und Jack nichts widernatürliches ist, sondern dass das einfach zwei "normale" Menschen sind, die eine unheimlich starke, schöne Liebe miteinander erleben. Und das diese Liebe es verdient hätte, von der Gesellschaft toleriert und akzeptiert zu werden. In dem Sinne ist es für mich eine universelle Liebesgeschichte, nämlich eine Liebe, die jeder Mensch mit einem anderen Menschen erleben kann (und sollte) und dass es dabei egal ist, ob es sich um das andere oder dasselbe Geschlecht handelt.
Homosexuelle Liebe ist keine besondere Art der Liebe, sondern ich denke, die Gefühle und das Miteinander fühlen sich für die Beteiligten genauso an wie in einer heterosexuellen Liebesbeziehung.
Besonders daran ist die extreme gesellschaftliche Ablehnung. Diese wird in BBM auch gezeigt und zwar sehr deutlich und so wird natürlich auch eine starke Gesellschaftskritik geübt und es ist auch die Absicht dieses Filmes und der Geschichte von Annie Proulx, diese zu üben. Na klar, was denn auch sonst? Man kann doch gar keine tragische Liebesgeschichte erzählen, ohne Kritik daran zu üben, dass diese tragisch verläuft.
Und natürlich ist BBM hochaktuell, weil leider die Akzeptanz für homosexuelle Menschen immer noch nicht sehr ausgeprägt ist.

In dem Sinne passt für mich "universelle Liebesgeschichte" sehr gut als Beschreibung für BBM.
02.05.2009 10:47 mio ist offline E-Mail an mio senden Beiträge von mio suchen Nehmen Sie mio in Ihre Freundesliste auf

Frank
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Hm, die Diskussion darüber, ob BBM nun eine universelle Liebesgeschichte ist oder eine ganz spezifisch schwule Geschichte, die in einer ganz bestimmten Zeit und Gesellschaft verankert ist, erinnert mich ein bisschen an die Geschichte von dem Mann, dem der Arzt empfiehlt, möglichst viel Obst zu essen, und der sich schließlich beschwert, dass er immer nur Äpfel, Birnen, Bananen oder Orangen bekommt, aber kein Obst. Es ist bekanntlich ein schwerer Fehler, Äpfel mit Birnen oder gar Orangen gleichzusetzen; aber es wäre ebenso falsch zu leugnen, dass auch Äpfel Obst sind.

Will sagen: Der „spezielle“ schwule Inhalt und der „universelle“ Anspruch müssen sich nicht unbedingt gegenseitig ausschließen.

Zunächst einmal muss man aber meiner Meinung nach tatsächlich den ganz spezifisch schwulen Gehalt der Geschichte sehen, der Tragödie eines homophoben Homosexuellen – eine ganz spezifische Geschichte, die sich von anderen Liebesgeschichten unterscheidet. (Wobei aber das universelle psychologische Thema des Sich-selbst-im-Wege-Stehens, das damit angeschnitten ist, auf einer nächst „höheren“ abstrakteren Ebene wieder universalisierbar ist.)

Den entscheidenden Referenzaufsatz hat Daniel Mendelsohn in der New York Review of Books veröffentlicht. In seinem Artikel „An Affair to Remember“ wandte sich Mendelsohn gegen die „rhetorische Emphase“, mit der in den meisten Kritiken, aber auch in der Werbung für den Film, das schwule Element in den Hintergrund gedrückt und das „Allgemeinmenschliche“, „Universelle“ dieser „großen amerikanischen Liebesgeschichte“ betont wurde. „Brokeback Mountain als eine Liebesgeschichte oder gar als einen Film über universelle menschliche Emotionen zu sehen, bedeutet, den Film ernsthaft fehl zu interpretieren – und vermindert damit unweigerlich das wahre Verdienst dieses Films“, so Mendelsohn. Mendelsohn zitiert den berühmten Filmkritiker Roger Ebert, der BBM als eine „universelle Tragödie“ über „verbotene Liebe“ ähnlich wie Romeo und Julia interpretierte. Dem hält Mendelsohn entgegen: „Das ist zwar nett gemeint, führt aber in die Irre. Die Tragödie heterosexueller Liebender aus verschiedenen Religionen oder Ethnien ist im wesentlichen eine gesellschaftliche Tragödie; während sie sich vor unseren Augen abspielt, sollen wir empört sein über die Irrationalität gesellschaftlicher Verengungen, die die beiden daran hindern, einander zu lieben; Einengungen, gegen die die Liebenden selbst zurecht ankämpfen und die sie verachten.

Aber diese Liebenden, wie sehr sie auch unter einem schlechten Stern stehen, verachten niemals sich selbst. Wie Brokeback so eloquent deutlich macht, ist die Tragödie schwuler Liebender wie Ennis und Jack nur sekundär eine gesellschaftliche Tragödie. Ihre Tragödie, die längst begonnen hat, bevor die beiden einander treffen, ist primär eine psychologische Tragödie, eine Tragödie von Seelen, die verletzt sind gleich beim aller ersten Rühren eines erotischen Begehrens, das die Welt um sie herum – angefangen in der frühesten Kindheit, im Schoße ihrer Familien, wie uns Ennis' grausamer Flashback erinnert – als ungesund, hassenswert und tödlich darstellt. Romeo und Julia (und wir) mögen die äußere Welt hassen, die Capulets und Montagues, mögen Verona hassen; aber weil sie die Homosexualität schon so früh hassen lernen, wachsen junge Menschen mit homosexuellen Impulsen häufig damit auf, sich selbst zu hassen: Sie glauben, dass etwas mit ihnen nicht stimmt, lange bevor sie verstehen, dass mit der Gesellschaft etwas nicht stimmt. Das ist die Wahrheit, die Heath Ledger, der Ennis spielt, klar versteht – „Furcht wurde ihm von frühester Kindheit an eingeimpft, und so hat ihn die Art, wie er liebt, angeekelt“, hat der Schauspieler gesagt – und das wird brillant rübergebracht in seiner zurecht hochgelobten Darstellung. Auf der Leinwand erhalten Ennis' Selbstunterdrückung und Abscheu vor sich selbst eine verblüffende physische Form: Die linkische, fast humpelnde Gangart, die eingeschränkten Gesten, die Art, wie er kaum seinen Mund aufbringt, wenn er redet; all das spricht auf eloquente Weise von einem Mann, der davon gequält wird, in seinem eigenen Körper zu sein – er selbst zu sein.“

Wobei man natürlich Mendelsohns „primär psychologisch“ und erst „sekundär gesellschaftlich“ rein logisch auch umkehren könnte: Zunächst ist da die gesellschaftliche Tragödie der ländlichen Homophobie und dann sekundär daraus abgeleitet Ennis's psychologische Tragödie des homophoben – und damit sich selbst verachtenden – Homosexuellen.

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"Was vermeid ich denn die Wege,
wo die andern Wandrer gehn ..."
02.05.2009 12:06 Frank ist offline E-Mail an Frank senden Beiträge von Frank suchen Nehmen Sie Frank in Ihre Freundesliste auf

Eva Eva ist weiblich
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Äußerst interessant, was ihr alle so schreibt! Ich bin ganz begeistert! smile
Wenn ich mir all eure Beiträge so durchlese, so muss ich sagen, dass mich das Argument des "Selbsthasses" doch sehr besticht. Der wichtige Punkt ist vielleicht der, dass Homosexualität "angeboren" ist und somit jegliche Form der Homophobie den homosexuellen Menschen in seiner ganz grundrechtlichen Individualität und Existenz verachtet! Indem die Gesellschaft einem schwulen Mann abspricht, mit einem anderen Mann glücklich zu werden, beraubt diese Gesellschaft diesen Mann um alle möglichen potentiellen Partner in der Menschheit. Ihm wird keine Chance gegeben.
Das unterscheidet dann nämlich den homophoben Fall von einem z.B. rassistischen Fall, den man eigentlich als ähnlich einschätzen könnte, da ja Rasse wie Homosexualität angeboren ist. Ein farbiger Mann z.B., dessen dunkle Hautfarbe ja angeboren ist, kann vielleicht wegen gesellschaftlicher Ächtung keine weiße Frau haben, aber er kann sein Glück bei einer anderen farbigen Frau finden. Somit ist er nicht generell in seiner Suche nach Glück beschnitten worden. Schwule Männer aber sind es und das macht in meinen Augen die "Homophobie zur verachtungswürdigsten aller Intolleranzen"!

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02.05.2009 15:10 Eva ist offline E-Mail an Eva senden Beiträge von Eva suchen Nehmen Sie Eva in Ihre Freundesliste auf

brunika
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Wenn ich manche Beiträge hier so lese, drängt sich mir der Eindruck auf, dass häufig der Tiefgang der Geschichte unterschätzt wird.
Immer wieder wird erwähnt, dass beide zwar mit dem Ballast aus der Kindheit umgehen müssten, aber doch wirklich selbst schuld seien, wenn ihnen die Überwindung desselben nicht gelingt.
Dass sie realistisch betrachtet eine Chance auf Glück gehabt hätten, wenn sie sich nur "auf die Hinterbeine gestellt" und ihren Anspruch deutlich gemacht hätten. Das ist, finde ich, zu kurz gedacht.
Das Ausmaß der Verletzungen, die ihnen die Gesellschaft zugefügt hat und die tatsächlich vorhandene Gefahr körperlicher Gewalt oder "nur" (mein Gott, was für ein Wort in diesem Zusammenhang) gesellschaftliche Ächtung wird stark unterschätzt.
Es geht ja nicht nur darum, welche dieser Gefahren tatsächlich vorhanden sind, sondern ganz wesentlich um die Wahrnehmung durch die Akteure. Und die ist bedingt durch ihre Erfahrungen.
Das Resultat ist, wie Frank so treffend beschreibt (danke Frank, Du sprichst mir aus der Seele!) im Falle von Ennis eine Persönlichkeit, die ständig und unüberwindlich im Zwist mit sich selbst liegt, in einem Kokon aus Selbstverachtung und Selbstekel lebt.
Genau dieser Punkt ist es doch, der diese Geschichte von anderen unterscheidet, sie eben über eine universelle Liebesgeschichte hinaushebt.
Das ist doch der Unterschied zu Romeo und Julia oder zu schwarz/weißen Paaren. Diese können die Schuld bei der Gesellschaft suchen, in der sie leben, und sind nicht gezwungen, sich selbst in Frage zu stellen.
02.05.2009 17:25

Thomas
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Zitat:
Original von Frank

Zunächst einmal muss man aber meiner Meinung nach tatsächlich den ganz spezifisch schwulen Gehalt der Geschichte sehen, der Tragödie eines homophoben Homosexuellen – eine ganz spezifische Geschichte, die sich von anderen Liebesgeschichten unterscheidet. (Wobei aber das universelle psychologische Thema des Sich-selbst-im-Wege-Stehens, das damit angeschnitten ist, auf einer nächst „höheren“ abstrakteren Ebene wieder universalisierbar ist.)

Den entscheidenden Referenzaufsatz hat Daniel Mendelsohn in der New York Review of Books veröffentlicht. In seinem Artikel „An Affair to Remember“ wandte sich Mendelsohn gegen die „rhetorische Emphase“, mit der in den meisten Kritiken, aber auch in der Werbung für den Film, das schwule Element in den Hintergrund gedrückt und das „Allgemeinmenschliche“, „Universelle“ dieser „großen amerikanischen Liebesgeschichte“ betont wurde. „Brokeback Mountain als eine Liebesgeschichte oder gar als einen Film über universelle menschliche Emotionen zu sehen, bedeutet, den Film ernsthaft fehl zu interpretieren – und vermindert damit unweigerlich das wahre Verdienst dieses Films“, so Mendelsohn.



Der hier geschilderte Hintergrund war mein Anliegen diese Diskussion nochmals anzustossen, ich hatte ja schon vor längererer Zeit auf diesen Aufsatz hingewiesen. Hier scheint ja auch auch der Unterschied zwischen "unversell" und "spezifisch" zu bestehen, dies zwingt mich regelrecht dazu es wie Mendelsohn zu sehen. Wenn man den Film eben als "universelle Liebesgeschichte" sieht, besteht einfach die Gefahr einer Fehlinterpretation.

Dies stand damals in der "Zeit":
"Der meistgepriesene Film der Saison ist vielleicht auch der am gründlichsten missverstandene", meint Evelyn Finger (Zeit): " Von einer 'bahnbrechenden', 'revolutionären' Liebesgeschichte schwärmten die amerikanischen Kritiker, von einem schwulen Western, der gegen die Grundregeln des machistischen Genres verstoße. In Wahrheit führt die Geschichte seiner schwulen Figuren zu etwas zurück, was im schwullesbischen Mainstreamkino rar geworden ist. Denn Lee behandelt nicht nur das Drama einer repressiven Gesellschaft, wie man es in jedem Coming-out-Film vorgeführt bekommt. Vielmehr interessiert ihn das Drama des Selbsthasses, der Selbstverleugnung und der Scham."
Die glorreiche Naturmetaphorik von Brokeback Mountain ist retrospektiv umgekippt, umgekehrt proportional zum Stellenwert des Sozialen in der Handlung. In dieser brutalen Umdrehung steckt die eigentliche Tragödien des Films. Die heroische, erhabene Freiheit der Bergklippen, des Ausnahmezustands entpuppt sich als grausame Isolation. „Brokeback Mountain“ erzählt nicht nur von unerfüllter Liebe, sondern von unerfüllter Sexualität, Persönlichkeit, Menschlichkeit. Jack und Ennis sind einander in ihrer Welt die einzigen Geschlechts-, ja Gesprächspartner. Ohne soziale Dimension ist die Liebe aber zum Scheitern verurteilt. Die Idee eines Paradieses zu zweit ist Wahnsinn. Bei aller Schönheit des Bergs: Der Gipfel führt nirgendwo hin."

Mein Fazit hierzu ist: Ang Lee kritisiert die Allegorien der Westerntradition, der amerikanischen Film-Selbstbilder, der US-Freiheitsmythologie, und er kritisiert natürlich auch die Bilder, die er selber benutzt hat. Er ist, wie in all seinen guten Filmen, Soziologe und eben kein Romantiker. Natürlich erzählt Lee eine Geschichte über Liebe und tief empfundene Gefühle und dabei entstand ein Film, der die Thesen über Verdrängung und gesellschaftlich erzwungene Unmöglichkeiten realistisch vermittelt. Auf den Appell an Toleranz und Gleichberechtigung verzichtet Lee, mit etwaigen Überformulierungen hält er sich nicht auf. Der Erfolg von BBM liegt auch darin begründet, dass der Zuschauer nicht mit einem mahnenden Zeigefinger zurückblieb.
02.05.2009 17:42

Andi Andi ist weiblich
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Zitat:
Original von Thomas
Natürlich erzählt Lee eine Geschichte über Liebe und tief empfundene Gefühle und dabei entstand ein Film, der die Thesen über Verdrängung und gesellschaftlich erzwungene Unmöglichkeiten realistisch vermittelt. Auf den Appell an Toleranz und Gleichberechtigung verzichtet Lee, mit etwaigen Überformulierungen hält er sich nicht auf. Der Erfolg von BBM liegt auch darin begründet, dass der Zuschauer nicht mit einem mahnenden Zeigefinger zurückblieb.

Das finde ich so besonders an BBM. Der Film ist SOWOHL Gesellschaftskritik ALS AUCH Liebesgeschichte. Und diese beiden Dinge hat Ang Lee auf so außergewöhnliche Weise miteinander verwoben, dass es einfach nur beeindruckend ist.
02.05.2009 18:01 Andi ist offline Beiträge von Andi suchen Nehmen Sie Andi in Ihre Freundesliste auf

mio mio ist weiblich
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Zitat:
Original von brunika
Wenn ich manche Beiträge hier so lese, drängt sich mir der Eindruck auf, dass häufig der Tiefgang der Geschichte unterschätzt wird.


Nun, Brunika, ich glaube nicht, dass hier in diesem BBM-Forum der Tiefgang der Geschichte unterschätzt wird. Lachen
Die Leute hier beschäftigen sich teilweise seit mehr als 3 Jahren mit diesem Film, es wurde schon jede Szene und die Personen mehrfach bis ins kleinste durch analysiert und diskutiert - da so etwas zu sagen, finde ich etwas unpassend.
Ich habe hier noch nie gelesen, dass Ennis und Jack "wirklich selbst schuld" sind, dass ihnen die Überwindung ihres Kindheitsballasts nicht gelingt.
03.05.2009 21:10 mio ist offline E-Mail an mio senden Beiträge von mio suchen Nehmen Sie mio in Ihre Freundesliste auf

lundi96 lundi96 ist weiblich
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Da fühle ich mich jetzt aber auch misverstanden. Ennis ist es insofern "selbst schuld", als daß er THEORETISCH ihre Beziehung hätte beeinflußen können. Das konnten z.B. die Leute im 3. Reich oder sogar einfach nur Jack nicht. Aber mir ist natürlich glasklar, daß er sein Trauma einfach nicht überwinden konnte. Ich gehöre sogar zu den Leuten, die NOCH NIE das Gefühl hatten, Ennis mal ein Schubs geben zu müssen, damit er sich endlich überwindet, für mich steht das außer Frage, daß das für ihn unmöglich ist.

Trotzdem empfinde ich es als noch mal erheblich tragischer, wenn man sich selbst im Weg steht als wenn äußere Einflüsse etwas verhindern. Hier wurde auch mal BBM mit einer griechischen Tragödie verglichen und ich meine, daß genau das der Unterschied zwischen tragisch und traurig ist: die traurige Person wird wie Jack durch Umstände, die sie nicht beeinflußen kann, ins Unglück gestürzt, die tragische Person wie Ennis verursacht ihr Unglück selbst, kann aber durch gewisse Umstände einfach nicht anders handeln.

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03.05.2009 22:30 lundi96 ist offline E-Mail an lundi96 senden Beiträge von lundi96 suchen Nehmen Sie lundi96 in Ihre Freundesliste auf

Thomas
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Ich glaube nicht, dass hier im Forum der Tiefgang der Geschichte „unterschätzt“ wird. Vielmehr sehe ich unterschiedliche „Einschätzungen“ und vielleicht abweichende Wertigkeiten. Jeder von uns hat hierbei seine ganz persönliche Empfindung und mit Sicherheit auch seinen eigenen Hintergrund, das hierbei verschiedene Auffassungen entstehen ist völlig normal, wir bräuchten hier nicht zu diskutieren wenn dies nicht so wäre. In meinen Augen ist es viel wichtiger diesen Gedankenaustausch so zu gestalten, dass Argumente die von der eigenen Meinung oder Vorstellung abweichen entsprechend reflektiert werden können.

Deshalb steht für mich außer Frage, dass dieser Film mehr von uns will, als uns eine „universelle Liebesgeschichte“ zu zeigen. Eine "intrapsychische" (innerhalb der Psyche ablaufend) Kernspintomographie offenbart die Vielschichtigkeit dieser Geschichte. Psychologie (Individuum) und Soziologie (Gesellschaft) lassen sich hier nicht mehr auseinander dividieren, denn Lee hat es im Grunde genommen nie nötig, die Repression von außerhalb zu dokumentieren. Die Tragödie der Ideologie spielt sich allein in den Köpfen seiner Protagonisten ab.

Eine übergeordnete Sichtweise auf den „Brokeback Mountain“, eben nicht nur Naturgewalt, zeigt eine Deutung als Form künstlerischen Ausdrucks, als Medium Film vielleicht sogar - ein Ort des ungehemmten Umgangs, der Auslotung des Inneren, aber auch der Illusion und Realitätsflucht, der Abgrenzung also. Hierzu bietet Ang Lees Film eine Verbindungslinie an.
04.05.2009 08:47

brunika
unregistriert
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Nun, möglicherwise habe ich mich mit dem Begriff "unterschätzt" ungeschickt ausgedrückt.
Thomas hat es mit "Einschätzung" weit besser getroffen.

Auch ich bin der Meinung, dass die Bezeichnung "universelle Liebesgeschichte" nicht weit genug greift.
Sie verharrt beim Blick "in the mirror", während doch soviel mehr, nämlich der Blick "through the mirror" ermöglicht wird.
Auf den mit mahnendem Zeigefinger vorgehaltenen Spiegel wird zugunsten einer weit tiefer gehenden Aussage verzichtet.
Deutungsspektrum, Tiefe und Vielschichtigkeit dringen sowohl psychisch als auch soziologisch wesentlich weiter vor, als die visuelle Darstellung auf den ersten Blick glauben macht.
04.05.2009 10:01

AngLee Super Moderator AngLee ist weiblich


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Und trotzdem IST es eine Liebesgeschichte, oder seid ihr da anderer Ansicht? Und wenn ich sage: "Brokeback Mountain ist eine universelle Liebesgeschichte", dann ist das für mich eine wahre Aussage.
Zitat:
Original von Frankie
"Universell"heißt für mich, dass es um eine Liebe geht, die gemäß den herrschenden Umständen und der Zeit, in der es um diese Liebe geht, eigentlich unmöglich ist, ihre Erfüllung zu finden.

Nur, und damit gebe ich euch Recht, damit beschreibe ich nicht das Wesen des gesamten Filmes. Das ist mir schon klar. Wenn ich das wollte, könnte ich das nicht in einem Satz tun, und ich müsste all die anderen Aspekte beleuchten.
Aber wenn ich mir von dem Obst nur den Apfel herausnehme, also aus BBM die Liebesgeschichte, dann ist diese für mich auch universell.
Zitat:
Original von Frank
Will sagen: Der „spezielle“ schwule Inhalt und der „universelle“ Anspruch müssen sich nicht unbedingt gegenseitig ausschließen.

So habe ich jedenfalls auch Franks Aussage verstanden.

Die Frage ist nur: Reduziere ich damit den Film, wenn ich einen Aspekt hervorhebe? Müssten wir dann hier nicht alle BBM eher als einen Dokumentarfilm sehen? Und wenn ich mich bein Gucken von der Liebesgeschiche mitreißen lasse, tue ich dann dem Film Unrecht, weil ich in dem Moment alle anderen Aspekte nicht ausreichend würdige, also falsch gewichte?
04.05.2009 13:27 AngLee ist offline E-Mail an AngLee senden Beiträge von AngLee suchen Nehmen Sie AngLee in Ihre Freundesliste auf

Thomas
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Zitat:
Original von brunika

Auch ich bin der Meinung, dass die Bezeichnung "universelle Liebesgeschichte" nicht weit genug greift.
Sie verharrt beim Blick "in the mirror", während doch soviel mehr, nämlich der Blick "through the mirror" ermöglicht wird.
Auf den mit mahnendem Zeigefinger vorgehaltenen Spiegel wird zugunsten einer weit tiefer gehenden Aussage verzichtet.
Deutungsspektrum, Tiefe und Vielschichtigkeit dringen sowohl psychisch als auch soziologisch wesentlich weiter vor, als die visuelle Darstellung auf den ersten Blick glauben macht.


Ich hatte es ja schon mehrfach geschrieben, sicher haben wir es auch mit einer Liebesgeschichte zu tun, wer wollte dies bestreiten. Ob unviversell oder nicht, diese Frage muss sich vielleicht jeder selbst beantworten. Dennoch finde ich, wie es brunika ausdrückt, von sehr großer Bedeutung den Blick auf die Geschichte nicht nur im Spiegel zu sehen sondern eben durch ihn hindurch. Die besagte Vielschichtigkeit des Films lässt für mich gar keinen anderen Schluss zu, gerade im Hinblick auf die eigene Deutung dieser Geschichte.

Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Thomas: 04.05.2009 14:46.

04.05.2009 14:32

mio mio ist weiblich
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Thomas, Brunika,
könnt ihr auch noch mal in einer weniger abgehobenen Ausdrucksweise erklären, was ihr sagen wollt?
Ich bediene mich einer solchen Sprache eigentlich immer nur dann, wenn ich andere "mundtot" machen will (dann hat nämlich keiner mehr Lust zu diskutieren).

BBM ist sicherlich kein Intellektuellen-Film, den man nur verstehen kann, wenn man Psychologie oder ähnliches studiert hat.
Klar, wir sind hier gerade im Thema "BBM-im Spiegel der Wissenschaften", aber ich glaube, das ist es genau, was mich an dieser Diskussion stört, dass hier nämlich in die Richtung argumentiert wird: "wenn du nicht meiner Meinung bist, dann liegt das daran, dass du den Film (und mich) nicht wirklich verstanden hast". Das stört mich schon an den Ausführungen von Evelyn Finger.
Es wird hier um Definitionen gerungen und nicht um Inhalte.
04.05.2009 15:39 mio ist offline E-Mail an mio senden Beiträge von mio suchen Nehmen Sie mio in Ihre Freundesliste auf

Thomas
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Mio, ich weiss jetzt eigentlich nicht was an meinem letzten Beitrag nicht zu verstehen ist.... Sprachlos bzw. Mundtot wie du es nennst, machen mich eigentlich nur solche Äußerungen wie deine. Jeder hat seine eigene Auffassung was er in dem Film sieht oder nicht sieht, darüber wird diskutiert. Es wird dir auch keine Meinung aufgezwungen, wie auch? Die Texte die ich zitiert habe spiegeln nicht in jedem Fall immer meine Meinung wider, sondern waren auch für mich teilweise neue und interessante Aspekte um darüber nachzudenken.

Fakt ist für mich, das wir es hier nicht mit einem x-beliebigen "Liebesfilm" zu tun haben sondern mit einem Film ungleich größerer Qualität und Anspruch. Allein diese Tatsache belegen eben eine Reihe von (ich trau es mich ja schon fast nicht mehr sagen) wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die sich dieser Geschichte eben auf ganz andere Art und Weise nähern. Nicht umsonst hast du richtig bemerkt wie dieser Thread heißt. Dies ist nicht besser oder schlechter zu bewerten, wie die Anschauung vieler im Forum die dem Film ihre eigene Sichtweise zugrunde legen. Ich bewege mich da völlig wertfrei, im übrigen definiert man eben auch Inhalte.

Hier ein paar Beispiele für "kultur-wissenschaftliche" und "psychologische" Veröffentlichungen zu "unserem Film" :

Reihe Queer Lectures / Claudia Liebrand
"John Wayne wouldn't like gay cowboys - An Lees Western "Brokeback Monuntain" und die Genretradition"

System UBW - Zeitschrift für Klassische Psyochoanalyse
Miriam Dare "Brokeback Mountain" - Der Film und das literarische Original

Zeitschrift Film-Konzepte
Isabell Gössele "Blickwechsel" - Wie Ang Lee durch stumme Figureninteraktion Bedeutung schafft

Zeitschrift für Kultur/ Ang Lee und sein Kino - Poesie im Grossformat
Andreas Ungerböck "Letzlich hat doch jeder seinen ganz privaten "Brokeback Mountain"

Die Liste lies sich erweitern, ehrlich gesagt bin ich auch ein bisschen stolz darauf, dass der Film der mir so am Herzen liegt eben auch auf diese Weise gesehen wird.
04.05.2009 17:15

mio mio ist weiblich
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Thomas,
ich bin auch stolz darauf und freue mich darüber, dass BBM so ein Echo gefunden hat.

Aber für mich kam es nicht so rüber, dass du dich da "völlig wertfrei" bewegst.
Außerdem hat keiner hier jemals gesagt, dass wir es mit einem x-beliebigen "Liebesfilm" zu tun haben, ich weiss gar nicht, wie du darauf kommst. Oder übersetzt du so "universelle Liebesgeschichte"?


Zitat:
Eine "intrapsychische" (innerhalb der Psyche ablaufend) Kernspintomographie offenbart die Vielschichtigkeit dieser Geschichte. Psychologie (Individuum) und Soziologie (Gesellschaft) lassen sich hier nicht mehr auseinander dividieren, denn Lee hat es im Grunde genommen nie nötig, die Repression von außerhalb zu dokumentieren. Die Tragödie der Ideologie spielt sich allein in den Köpfen seiner Protagonisten ab.

Eine übergeordnete Sichtweise auf den „Brokeback Mountain“, eben nicht nur Naturgewalt, zeigt eine Deutung als Form künstlerischen Ausdrucks, als Medium Film vielleicht sogar - ein Ort des ungehemmten Umgangs, der Auslotung des Inneren, aber auch der Illusion und Realitätsflucht, der Abgrenzung also. Hierzu bietet Ang Lees Film eine Verbindungslinie an.


Und was das bedeuten soll, erschließt sich mir nicht. Es wäre nett, wenn du das noch näher erklären könntest. Und falls es ein Zitat ist, dann ist das nicht kenntlich. Falls ja, dann gib doch die Quelle an, vielleicht kann man aus dem Zusammenhang verstehen, was der Verfasser sagen will.
04.05.2009 18:00 mio ist offline E-Mail an mio senden Beiträge von mio suchen Nehmen Sie mio in Ihre Freundesliste auf

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