Ennis´ Zusammenbruch am See |
endlesslove
Truthahnschneider
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Genau wie Du, Eva, seh ich das auch. Nur, dass ich noch ein bisschen die Hoffnung hatte, dass Ennis, wenn es noch zu dem Novembertreffen gekommen wäre, was geändert hätte. Nicht sofort, aber er hätte Jack vielleicht gesagt, dass er noch Zeit braucht und dann doch in nächster Zeit irgendwo mit ihm zusammen wohnen will. So hätte ich mir das zumindest gewünscht.
__________________ Manchmal muß man im Leben so einiges einstecken wofür man eigentlich gar keine Tasche hat.
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02.09.2010 12:01 |
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endlesslove
Truthahnschneider
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Ach ja, der Film wäre dann wohl nur halb so tragisch und fesselnd, aber manchmal wünsch ich mir schon es hätte doch ein Happy End gegeben ...
__________________ Manchmal muß man im Leben so einiges einstecken wofür man eigentlich gar keine Tasche hat.
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02.09.2010 12:22 |
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lundi96
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Ich glaube, Ihr seht es einfach immer nur aus der Sicht des objektiven Zuschauers, der Ennis Trauma kennt und berücksichtigt. Ich sehe diese Sicht zwar auch, aber wenn ich Ennis Handlungen nachvollziehen möchte, versuche ich, die Dinge aus Ennis Sicht zu sehen und Ennis sieht nicht, daß er ein Trauma hat, das eine völlig unbegründete Angst mit sich zieht. NATÜRLICH hätte Ennis ein Leben mit Jack gewollt, wenn die Umstände anders wären, das ist doch überhaupt keine Frage. Aber die Umstände sind nun mal nicht anders und wenn ich mich frage, was will Ennis unter DIESEN Umständen, dann ist die Antwort doch klar, er will KEIN Leben mit Jack.
Eva (ich bin entsetzt, wir sind doch sonst immer einer Meinung =?), Du schreibst doch auch, daß er gern ein Leben mit Jack gewollt HÄTTE. Das ist doch nicht dasselbe wie „er will ein Leben mit Jack“. Hätte, wäre, wenn sind doch nur Träume, die Realität ist doch anders, deshalb entstehen doch hätte, wäre, wenn. Wenn ich mehr Geld hätte, würde ich mir auch ein größeres Auto kaufen. Aber weil ich nicht mehr Geld habe, WILL ich kein größeres Auto, weil mir das Geld dann irgendwo fehlen würde. Das heißt doch, daß ich IM MOMENT tatsächlich kein größeres Auto will und das ist doch unabhängig davon, daß ich gern eins hätte, WENN ich mehr Geld hätte. Es geht doch darum, was Ennis in dem Moment will und solange die Umstände sich nicht ändern, will Ennis nicht mit Jack zusammen leben.
Endlesslove, natürlich tut er auch viel für Jack, für seine Verhältnisse sogar SEHR VIEL. Aber er tut es nur, um Jack zu treffen, nicht um mit ihm zusammen zu leben. Treffen hält er für machbar und deshalb will er sie auch und tut etwas dafür. Ein gemeinsames Leben hält er für nicht machbar und deshalb will er es nicht.
Und natürlich ist er nicht glücklich in der Situation. Es ist ja nicht sein freier Wille, sondern die Umwelt, die ihn zu dieser Entscheidung zwingt. Man trifft ja schon mal Entscheidungen, mit denen man nicht glücklich ist, weil die andere Wahl noch schlechter ist. Nichtsdestotrotz ist es eine Entscheidung, die er selbst getroffen hat. Er hätte ja auch entscheiden können es zu riskieren und es in Kauf zu nehmen, daß er angegriffen und möglicherweise getötet wird (immer alles aus seiner Sicht, objektiv ist es ja sicher nicht so). Aber er entscheidet sich dafür, das Risiko nicht einzugehen, er will dann lieber nicht mit Jack zusammen leben. Warum er so entscheidet, ob er Angst um sich hat oder um Jack oder es wegen seiner Familie nicht macht, wissen wir nicht genau, aber er nimmt auf irgendjemanden Rücksicht und stellt dafür sein und Jacks Glück hintenan. Ihm ist der Preis zu hoch, er WILL ihn NICHT zahlen.
Genau wie bei dem letzten Treffen. Ihr sagt, er will Jack im August sehen, aber er ist vernünftig, deshalb kommt er nicht, nicht weil er nicht will. Richtig ist aber doch, er würde Jack gern sehen wollen (Konjunktiv), wenn er dadurch nicht seinen Job verlieren würde. Weil er dann aber seinen Job dadurch verlieren würde, WILL er lieber nicht kommen. Nur Ennis kann doch entscheiden, was er macht, es ist doch alles sein freier Wille. Natürlich lässt er sich von Ängsten und Verpflichtungen leiten, aber es ist doch seine Entscheidung, ob er das macht oder nicht. Das sieht man doch ganz deutlich in der letzten Szene, wo er sich auf einmal nicht mehr von seinen Verpflichtungen leiten läßt, wo er erst nicht zu Juniors Hochzeit kommen will aus seinem altbekannten Verhaltensmuster heraus, sich aber dann plötzlich umentscheidet. Er ändert seine Meinung. Das war doch alles sein Wille, erst nicht zu kommen und dann auf einmal doch zu kommen. Er entscheidet auf einmal, daß er doch zu Juniors Hochzeit kommen will, egal wie die Folgen sind. Kurz vorher war seine Entscheidung noch anders, aber es war doch beides seine Entscheidung, sein Wille. Und so hat er eben auch entschieden, sich nicht im August mit Jack zu treffen. Auch das war sein Wille. Es war natürlich nicht das, was sein Herz wollte, aber das, was sein Verstand für richtig hielt und es ist Ennis freier Wille, in dem Fall seinem Verstand den Vorzug zu geben, so wie er später bei Juniors Hochzeit dem Herz den Vorzug gibt. In dem Moment, wo Ennis etwas will, tut er es auch, wie wir bei der Hochzeit sehen. Wenn er etwas nicht tut, dann doch wohl, weil er es aus irgendeinem Grund doch nicht will.
Ich sehe nirgendwo, daß Ennis mit Jack zusammen leben WILL, ich sehe immer nur, daß er gern mit ihm zusammen leben WÜRDE und das ist für mich ein entscheidender Unterschied. Das, was man WILL, macht man auch oder man versucht es zumindest. Das was man gerne machen WÜRDE, tut man meistens nicht. Und die Entscheidung, das nicht zu machen, trifft man selbst, es ist der freie Wille. Man würde es gern machen, aber man macht (=will) es dann doch nicht, weil zu viel dagegen spricht. Für mich ist „würde gerne“ nicht gleich „will“. Für mich ist das, was man tut, das, was man will, sonst hätte man es nicht getan. Man kann etwas ungern machen, weil man was anderes lieber machen würde, aber in dem Moment, in dem man sich entscheidet, es trotzdem zu machen, in dem Moment will man das dann auch, sonst wäre die Entscheidung anders ausgefallen. Ennis will sich mit Jack treffen, dafür bringt er Opfer und nimmt Risiken in Kauf, aber er will nicht mit Jack eine Ranch führen, das Risiko ist ihm zu groß.
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Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von lundi96: 02.09.2010 12:42.
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02.09.2010 12:37 |
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endlesslove
Truthahnschneider
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Sei mir auch nicht böse, aber genau das Selbe dachte ich grad auch.
Hier kann man wohl wirklich endlos drüber diskutieren.
Und das mit der Hochzeit, da geht er ja hin, weil er eingesehen hat, dass das nicht wollen, die ganze Zeit falsch war. Er hat so vieles nicht getan, obwohl er es wollte aus Angst vor den Konsequenzen. Aber jetzt hat er ja gesehen was er davon hat, nämlich gar nichts mehr. Jack gibt´s nicht mehr, aber es gibt für ihn ein Leben nach Jack und in diesem Leben tut er jetzt vielleicht das was er will und springt über seinen Schatten. Deshalb geht er auch zu der Hochzeit, weil er es will. Gekonnt hätte er nicht, weil sein Job ja dann weg ist, aber Junior ist ihm wichtig, genauso wie Jack ihm wichtig war und sie will er nicht auch noch enttäuschen oder verlieren.
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02.09.2010 13:42 |
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Pfefferminza
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Puh - jetzt raucht mir der Kopf vor lauter "wollen", würden" und "nicht können"...
Es ist also wirklich eine Frage der Definition von "wollen"...
Wenn das hier
Zitat: |
wo#l·len <willst, wollte, hat wollen>2 (ohne OBJ) 1. jmd./etwas will (etwas) plus Inf. die Absicht oder den Wunsch haben, etwas zu tun, sagen, machen o.Ä. Sie will nicht mehr rauchen., Er will alles auf einmal machen., Gestern wollte ich es noch haben, aber heute nicht mehr., Dieses Buch hat informieren wollen., Die Probleme wollen gründlich durchdacht werden. |
Quelle
stimmt, ist es auch wollen, wenn man nur den Wunsch hat - es dann aber -warum auch immer- doch nicht kann... Oder?
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02.09.2010 14:37 |
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lundi96
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Zitat: |
Original von never thought
Sei mir bitte nicht böse lundi, aber ich habe schwer den Eindruck, du verwechselst Wollen mit Können.
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Ich bin nicht böse, aber ich denke das gleiche von Euch
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Lassen wir es einfach dabei, es führt zu nichts mehr, denke ich.
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02.09.2010 15:08 |
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Eva
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@ lundi
Ich verstehe deine Ausführungen! Der einzige Unterschied in dem, was wir hier geschrieben haben scheint mir darin zu liegen, dass wir wahrscheinlich einen kleinen Unterschied in der Begriffsdefinition des "Willens" haben. Ich weiß jetzt nicht, ob es mir gelingt, unseren Unterschied verständlich niederzuschreiben, aber ich versuch´s mal:
So wie ich dich verstehe, ist jede Handlung eines Menschen eine willentliche, die das Resultat von Gefühlen aber auch von vernünftigen Überlegungen ist. Wenn jemand seinen Willen nicht in die Tat umsetzen kann, dann nur aus "äußeren" Umständen, die ihn daran hindern. Erst dann "kann" er nicht.
Ich persönlich würde nun meine Trennlinie zwischen Wollen und Können nicht zwischen den Menschen und seine Außenwelt legen, sondern schon in das Innere des Menschen. Wäre der Mensch frei von Zwängen aller Art, dann könnte er seinen wirklich freien Willen ausführen. Aber seine Entscheidung für eine bestimmte Handlung wird durch viele Gegebenheiten beeinflusst, die zu dem Ergebnis führen, dass der Mensch vielleicht eine andere Handlung ausführt, als er tun würde, wenn er seinen ganz freien Willen leben könnte.
Schon hier in diesem Moment würde ich definieren, dass der Mensch nicht mehr seinen Willen haben kann, also nicht "kann". Für mich ist also "nicht können" gleichbedeutend mit einer "beeinflussten Willensentscheidung". Für dich ist aber, wenn ich es recht verstehe, auch eine beeinflusste Willensentscheidung immer noch ein "Wille". Ich glaube, dass das der einzige Unterschied ist, den wir machen. Was meinst du?
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02.09.2010 15:42 |
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lundi96
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Hach, Eva, bin ich froh, daß Du mich doch noch verstehst, zumindest in etwa
.
Ich kann das auch nicht so klar ausdrücken, ich hatte auch das Gefühl, daß wir unter WILLEN etwas unterschiedliches verstehen, ich konnte aber auch den Finger nicht so drauf legen. Aber das hier trifft es ziemlich gut:
Zitat: |
Original von Eva
Für mich ist also "nicht können" gleichbedeutend mit einer "beeinflussten Willensentscheidung". Für dich ist aber, wenn ich es recht verstehe, auch eine beeinflusste Willensentscheidung immer noch ein "Wille". Ich glaube, dass das der einzige Unterschied ist, den wir machen. Was meinst du?
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Jede Willensentscheidung ist doch beeinflusst, ein Mensch ist doch nie frei von Zwängen, auch wenn sie nicht so extrem sind wie bei Ennis. Aber ALLE müssen ja Rücksicht auf irgendwen oder irgendwas nehmen und haben positive und negative Erfahrungen, die ihre Entscheidung beeinflussen. Und alles zusammen führt zu einer bestimmten Entscheidung und diese Entscheidung ist das, was wir dann WOLLEN, selbst wenn wir es nur ungern oder nur aus Vernunft wollen, aber würden wir es gar nicht wollen, würden wir es auch nicht machen. Eine Entscheidung treffen ist für mich gleichbedeutend mit etwas wollen. Es ist auch völlig klar, daß die Entscheidung anders ausfallen würde, wenn irgendetwas im Umfeld anders wäre als es ist.
Wir können aber doch nicht Ennis Willen nach dem beurteilen, was er gewollt hätte, wenn etwas anders gewesen wäre als es nun mal war. Wenn wir sagen, Ennis hätte ein Leben mit Jack gewollt, wenn er nicht so viel Angst gehabt hätte, dann könnten wir ja auch genau so gut sagen, Ennis hätte ein Leben mit Alma gewollt, wenn er nicht schwul gewesen wäre. Das würde ja sicherlich genauso stimmen. Aber wir müssen doch von dem ausgehen, was ist und nicht, was hätte sein können, wenn etwas anders gewesen wäre als es ist. Ennis hat nun mal sein Trauma und seine sexuelle Orientierung und beides beeinflusst seine Entscheidungen und damit seinen Willen, denn Entscheidungen werden willentlich getroffen.
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02.09.2010 16:54 |
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DerMoment1608
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Ich habe das Gefühl, dass das Problem gerade ist, dass sich die Definition von "wollen" und "können" unterscheiden, Ihr aber eigentlich gar nicht weit voneinander entfernt seit.
Zuerst einmal, wie ich diese beiden Begriffe für mich definiere:
"Wollen" ist für mich etwas, was nur von mir ausgeht. Etwas, wonach es mich innerlich drängt.
"Können" ist für mich etwas, dass durch bestimmte Umstände, sowohl äußere als auch innere, festgelegt ist, wie Regeln & Normen aber auch durch eigene physische, psychische und charakterliche Gegebenheiten.
Für Dich, lundi, ist "wollen" eher die Entscheidung für etwas. Ich würde "Deinen" "Willen" vielleicht als "meine" "Absicht" bezeichnen.
So ist in dem Beispiel mit dem Auto für mich so, dass ich sagen würde: "Ich will ein Auto, kann es aber nicht kaufen, weil ich nicht genug Geld habe. Deshalb entscheide ich mich dagegen und habe nicht die Absicht eines zu kaufen. Trotzdem ist für mich der Wille immer noch vorhanden, es lässt sich durch bestimmte Umstände nur nicht in die Realität umsetzen.
Nach "meinen" Definitionen ist es nun so, dass bei Ennis zwei Dinge aufeinanderprallen:
- Er will mit Jack zusammen leben.
- Er will nicht, dass er selbst und Jack umgebracht werden.
Nun weiß er aber aus seiner Sicht, dass beides gleichzeitig nicht möglich ist, weil es aus seiner Perspektive nicht möglich ist, dass zwei Männer zusammen leben ohne getötet werden. Er entscheidet sich also dafür, nicht mit Jack zusammen zu leben. Das heißt aber nicht, dass es nicht will. Er ist nur der Meinung, dass sie es nicht können, weil sie dann sterben würden.
Die "Umstände" die hier das "können" definieren sind dabei die Erfahrungen, die er als Kind gemacht haben und die dafür sorgen, dass es für ihn eine Tatsache ist, dass ein Zusammenleben unmöglich ist. Das hat Fricky in ihren letzten Post sehr schön dargestellt.
Zusammengefasst heißt das also für mich:
Ennis will mit Jack zusammen leben.
Ennis denkt aber, dass er nicht mit Jack zusammen leben kann.
Deshalb hat er nicht die Absicht mit Jack zusammen zu ziehen.
Außerdem will ich noch mal kurz auf Ennis Einschätzung der Gefahr zurück kommen, da sich das für mich gerade ziemlich mit der Wollen/Können-Diskussion vermischt, diese zwei Dinge meiner Ansicht nach aber zwei getrennte Paar Schuhe sind.
Ich stimme hier lundis vorhergehenden Beiträgen vollkommen zu: Ennis ist davon überzeugt, mit seiner Ablehnung des gemeinsamen Lebens das Richtige zu tun. Er hat dabei eine vollkommene Fehleinschätzung des Gefahrenrisikos, aber das ist ihm nicht bewusst. Deshalb kann er es auch nicht ändern. Um etwas zu ändern, muss einem erst einmal bewusst sein, dass etwas nicht stimmt. Aus diesem Grund kann man auch nicht sagen "wenn Ennis nur genug gewollt hätte, dann hätte er es geschafft seine Angst zu überwinden". Ennis ist ja gar nicht klar, dass er überhaupt wollen muss.
Um mal das mal mit Beispielen zu verdeutlichen: Nehmen wir einmal an, ich habe total Angst vor Spinnen. Hier ist aber erkennbar, dass diese Angst unbegründet ist. Also kann ich daran arbeiten und es mit genug Anstrengung schaffen soweit zu kommen, dass ich mich Spinnen nähere.
Bei Ennis ist das aber nicht so eine Situation. Für Ennis würde eher folgendes Beispiel zutreffen: Ich weiß, dass es lebensmüde ist zu Fuß die Autobahn zu überqueren. Also würde ich das nie machen. Jetzt fordert mich aber einer auf, mit ihm auf der Autobahn von einer Seite zur anderen zu wechseln. Natürlich würde ich das nie machen. Und ich würde auch nie daran arbeiten, mich zu überwinden. Weil ich weiß, dass das gefährlich.
Und genauso ist es für Ennis. Die Autobahn für uns ist für Ennis das Zusammenleben mit Jack. Denn für Ennis ist es eine Tatsache, dass ein gemeinsames Leben mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode führt. Er ist sich nicht bewusst, dass seine Einschätzung der Gefahr eine Fehlbeurteilung ist. Das ist nur uns klar, ihm allerdings nicht.
Und weil Edith auch unbedingt noch ihren Kommentar abgeben will: Ich bin viel zu langsam mit meinem Beitrag gewesen
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Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von DerMoment1608: 02.09.2010 17:04.
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02.09.2010 17:01 |
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lundi96
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Es ist schon irgendwie so, daß es für mich 2 Arten des Wollens gibt. Einmal das, was man sich wünscht, aber aus irgendwelchen Gründen nicht immer umsetzt und einmal das, was man dann auch tatsächlich macht. Und für mich wiegt das zweite irgendwie mehr, weil das auch zur Handlung führt, egal ob man es mit Freuden oder ungern macht, während das erste bisweilen nur Träume sind. Am besten ist es natürlich, wenn diese beiden Wollen übereinstimmen, aber das ist eben nicht immer der Fall.
Ich finde es aber falsch, nur das erste Wollen zu nehmen und das zweite zu ignorieren, wie wir es machen, wenn wir sagen, Ennis will mit Jack zusammenleben, aber er kann nicht. Ich würde sagen, Ennis will mit Jack zusammenleben, aber weil er die Gefahr sieht, will er es dann doch lieber nicht. Ich finde es falsch zu sagen, er kann nicht. Er kann ja schon, er trifft sich ja auch mit Jack, obwohl er das ja auch für gefährlich hält, aber weil er das Risiko in der Einöde für vertretbar hält, will er es auch. Die Gefahr einer gemeinsamen Ranch hält er aber für zu groß und deshalb will er es nicht, auch wenn er es schon wollen würde. Aber das Nicht-Wollen zählt für mich mehr, weil sich seine Handlungen danach ausrichten, also wiegt es ja auch für Ennis selbst mehr und deshalb kann man das nicht unter den Tisch fallen lassen und sagen er kann nicht. Es gibt ja nur einen, der ihn davon abhält und das ist er selbst, also ist es doch so, daß er selbst es in Anbetracht aller Umstände dann eben doch nicht will. Wie man so schön sagt: unter diesen Umständen will er das nicht.
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02.09.2010 17:45 |
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Pfefferminza
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Zitat: |
Original von DerMoment1608
Zusammengefasst heißt das also für mich:
Ennis will mit Jack zusammen leben.
Ennis denkt aber, dass er nicht mit Jack zusammen leben kann.
Deshalb hat er nicht die Absicht mit Jack zusammen zu ziehen.
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Das trifft es für mich auch ganz genau. Danke Eva und Moment für die Erklärungen - mir ist dabei auch gerade aufgegangen, dass ich mit meiner "Übertragung" aufhören - und damit eigentlich auch wieder aufhören kann, wütend auf Ennis zu sein...
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02.09.2010 18:01 |
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endlesslove
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Noch was zu dem Leben mit Alma. Ich glaube, das hatte nichts mit dem schwul sein zu tun, denn wenn sich Jack nicht mehr gemeldet hätte nach den 4 Jahren wäre er sicher mit Alma zusammen geblieben. Jack hat sich aber gemeldet und er ist der einzige den Ennis liebt. Und wegen seiner Liebe zu Jack ist die Beziehung zu Alma zerbrochen und nicht weil er schwul war.
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02.09.2010 18:27 |
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DerMoment1608
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Lundi, es hängt meiner Ansicht nach immer noch an der Definition. Zumindest ich kann sagen, dass ich genau die gleiche Position wie Du habe, in dem was Du meinst oder anders herum formuliert in dem was ich meine - nur benennen wir es anders.
Zitat: |
Original von lundi96
Es ist schon irgendwie so, daß es für mich 2 Arten des Wollens gibt. Einmal das, was man sich wünscht, aber aus irgendwelchen Gründen nicht immer umsetzt und einmal das, was man dann auch tatsächlich macht. |
Ja, das stimmt auf jeden Fall. Ich habe gerade noch mal bei Wiki nachgelesen und im Wiktionary sind diese beiden Ebenen sehr schön erklärt, finde ich:
Zitat: |
Bedeutungen:
[1] entschieden haben und deswegen vorhaben bzw. den Vorsatz haben, etwas zu tun (um etwas zu erlangen oder zu erreichen)
[2] nur den Wunsch nach etwas haben, danach verlangen, es begehren, sich danach (nur) sehnen |
Es gibt also das "Entscheidungs-Wollen" und das "Wünschen-Wollen".
Und noch mal die Bedeutungsebenen von "können"
Zitat: |
Bedeutungen:
[1] etwas zu tun vermögen
[2] durch bestimmte Umstände etc. die Möglichkeit haben, etwas zu tun
[3] aufgrund bestimmter Gegebenheiten zu einem Verhalten o. Ä. berechtigt sein
[4] sofern es erlaubt ist, die Möglichkeit haben, etwas zu tun (schwächere Form als dürfen)
[5] unter Umständen in Betracht kommen, vielleicht der Fall sein
[6] von Zeit zu Zeit etwas zu tun vermögen |
Zitat: |
Ich würde sagen, Ennis will mit Jack zusammenleben, aber weil er die Gefahr sieht, will er es dann doch lieber nicht. Ich finde es falsch zu sagen, er kann nicht. Er kann ja schon |
Und auch hier ist es wieder eine Definitionssache. Wenn Du hier "können" verwendest, meinst Du "die theoretische Möglichkeit haben". Während ich von "können" spreche und damit meine "es praktisch umsetzen können" oder "eine wirkliche Wahl zu haben".
Zitat: |
Und für mich wiegt das zweite irgendwie mehr, weil das auch zur Handlung führt, egal ob man es mit Freuden oder ungern macht, während das erste bisweilen nur Träume sind. |
Zitat: |
Ich finde es aber falsch, nur das erste Wollen zu nehmen und das zweite zu ignorieren, wie wir es machen, wenn wir sagen, Ennis will mit Jack zusammenleben, aber er kann nicht. |
Hier ist meiner Meinung nach der Knackpunkt der ganzen Diskussion, wo auch das Missverständnis drauf beruht. Wir ignorieren dass Entscheidungs-Wollen nicht, wenn wir sagen Ennis (wünschen-)will mit Jack zusammen leben oder sagen Ennis (praktisch-)kann nicht mit Jack zusammen leben.
Das Entscheidungs-Wollen ist das Bedeutendste von allen, weil es das "Ergebnis" von allen wünschen, können, wollen (und was es noch so alles gibt
) ist und für Ennis Handlungen verantwortlich ist.
Allerdings ist es meiner Meinung nach so, dass das (Entscheidungs-)Wollen nur eine Folge des (Praktisch-)Könnens ist. Das "können" bedingt das "wollen".
Ennis könnte ("theoretisch-kann") mit Jack gemeinsam leben, so wie alles theoretisch möglich ist. Ennis kann ("praktisch-kann") sich aber auf Grund seines Traumas nicht für ein gemeinsames Leben entscheiden. Für ihn ist das überhaupt gar keine mögliche Option, weil es aus seiner Sicht auf Grund der Trauma-Erkenntnis ("Two men living together – no way") einfach unmöglich ist. Durch äußere Umstände wurde ihm die Möglichkeit der Wahl genommen. Deshalb will ("Entscheidungs-will") er mit Jack keine Ranch. Allerdings will ("Wünschen-will") er schon mit Jack zusammen leben, weil er ihn liebt. Nur ist das ist das ("praktisch"-)Nicht-Können stärker als das ("Wünschen"-)Wollen. Deshalb resultiert das ("Entscheidungs-")Wollen.
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02.09.2010 20:17 |
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lundi96
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Dem kann ich absolut so zustimmen, Moment. Sehr gut finde ich die Unterscheidung zwischen Wünschen-Wollen und Entscheidungs-Wollen. Das ist ja beides Wollen, aber ich habe mehr Gewicht auf das Entscheidungs-Wollen gelegt, weil das ja das ist, was den weiteren Verlauf des Lebens bestimmt, während viele andere hier mehr Gewicht auf das Wünschen-Wollen legen, weil es das ist, was Ennis Herz will, auch wenn es den tatsächlichen Lebenslauf – zumindest bei Ennis – nicht beeinflusst bzw. erst ganz am Schluß.
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04.09.2010 15:10 |
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Eva
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Moment, das hast du mal wieder ganz exzellent analysiert und erklärt.
Mit der Unterscheidung in Wünschen-Wollen und Entscheidungs-Wollen, welches durch das Praktisch-Können bedingt ist, kann ich mich auch sehr gut anfreunden.
Somit hätten wir eine gute Synthese aus beiden Ansichten (Wollen/Können) gewonnen.
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04.09.2010 19:47 |
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